13.03.2025 Das Ergebnis der Sondierungen mit der Linie verschärfter Abwehr von Asylsuchenden in Deutschland bewirkt Unruhe und weitere Maßnahmen in den Nachbarländern. Ein Domino-Effekt zeichnet sich ab, wie so oft zu Lasten der Schutzsuchenden. "Österreich und Polen begrüßen ein härteres deutsches Vorgehen gegen illegale Migration. Die geplanten Zurückweisungen an ihren Grenzen wollen sie aber nicht hinnehmen," schreibt die FAZ.
Polen: Laut einem neuen Gesetz soll ein Großteil der Schutzsuchenden an der Grenze zwischen Polen und Belarus keine Asylanträge mehr stellen können.
Öterreich: Befehl an österreichische Polizei, [die in den Sondierungsgesprächen vereinbarten] Rückweisungen nicht zu akzeptieren
Unions-Fraktionsvize Jens Spahn (CDU) kündigte unterdessen Zurückweisungen von Asylbewerbern an der deutschen Grenze notfalls auch gegen den Willen der Nachbarländer an.
Im Folgenden drei Pressetexte im Wortlaut:
- Pressemitteilung von Pro Asyl: Pushbacks mit Ansage: Polen beschließt Aussetzung des Asylrechts
13.03.2025 Heute hat der polnische Senat einem Gesetz zugestimmt, das die vorübergehende Aussetzung des Asylrechts ermöglicht. An der Grenze zwischen Polen und Belarus soll ein Großteil der Schutzsuchenden keine Asylanträge mehr stellen können. PRO ASYL verurteilt das rechtswidrige Gesetz auf das Schärfste und fordert die Europäische Kommission auf, der brutalen Pushback-Praxis an der polnisch-belarussischen Grenze Einhalt zu gebieten.
„Klar europarechtswidrige Praktiken werden in Gesetzesform gegossen – das ist eine gefährliche Entwicklung für die Rechtsstaatlichkeit in Europa“, kommentiert Meral Zeller, Referentin in der Europaabteilung von PRO ASYL. „Die Aussetzung des Asylrechts zementiert die gewaltvolle Praxis der rechtswidrigen Pushbacks an der polnisch-belarussischen Grenze. Durch das Gesetz wird sich das Leid von Schutzsuchenden weiter verschärfen.“
Das Gesetz verstößt eindeutig gegen europäisches und internationales Recht. Das Non-Refoulement-Gebot verpflichtet Staaten dazu, stets zu prüfen, ob im Falle einer Abschiebung oder Zurückweisung die Gefahr von Folter und unmenschlicher Behandlung besteht. Um das ausschließen zu können, muss der Zugang zu fairen und rechtsstaatlichen Asylverfahren sichergestellt werden. Deshalb wandte sich der Menschenrechtskommissar des Europarates an den polnischen Senat mit der Bitte, das Gesetz nicht zu beschließen.
Europäische Kommission gibt Polen politische Rückendeckung
Die polnische Regierung begründet das Gesetz mit der „Instrumentalisierung“ von Schutzsuchenden durch Russland und Belarus. Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk beschreibt das Vorgehen der beiden Länder an der Grenze als „hybride Kriegsführung“ und stellt Geflüchtete in einer militarisierten Rhetorik als „Waffen“ dar, die die Sicherheit Polens und der EU gefährden würden. Diese entmenschlichende Rhetorik dient dazu, Schutzsuchende ihrer Rechte zu berauben.
„Dass die Europäische Kommission die völkerrechtswidrigen Zurückweisungen bisher nicht ahndet, sondern Ländern wie Polen zuletzt auch noch politische Rückendeckung für derartige Rechtsbrüche gegeben hat, ist zutiefst erschreckend“, sagt Meral Zeller, Referentin in der Europaabteilung von PRO ASYL. „Das widerspricht ihrer Rolle als Hüterin der Verträge. Schon längst hätte sie gegen die massiven Rechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen vorgehen müssen.“ Aus Sicht von PRO ASYL ist es höchste Zeit, der fortschreitenden Aushöhlung des Asylrechts in den EU-Mitgliedstaaten Einhalt zu gebieten.
Das vom Senat verabschiedete Gesetz ermöglicht die Aussetzung des Zugangs zum Asylverfahren für 60 Tage. Das Parlament kann über eine Verlängerung abstimmen. Das Gesetz muss noch vom polnischen Präsidenten Andrzej Duda unterzeichnet werden, was als Formalie gilt.
Hintergrund
Rechtswidrige und oftmals brutale Pushbacks, Misshandlungen durch polnische und belarussische Sicherheitskräfte und unterlassene Hilfeleistung sind auch unter der neuen Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk weiterhin alltäglich. Regelmäßig sterben oder verschwinden Schutzsuchende im polnisch-belarussischen Grenzgebiet in Folge dieser Pushbacks, wie die PRO ASYL Partnerorganisation Helsinki Foundation for Human Rights (HFHR) in einem kürzlich veröffentlichten Bericht dokumentiert hat.
- FAZ: Zurückweisen, aber nicht zu uns
10.03.2025 Österreich und Polen begrüßen ein härteres deutsches Vorgehen gegen illegale Migration. Die geplanten Zurückweisungen an ihren Grenzen wollen sie aber nicht hinnehmen.
Die von den Verhandlern aus Union und SPD geplante restriktivere Migrationspolitik stößt in mehreren Nachbarstaaten Deutschlands auf Wohlwollen. „Es ist erfreulich, dass sich auch Deutschland dazu bekennt, konsequent gegen illegale Migration vorzugehen“, sagte Österreichs neuer Bundeskanzler Christian Stocker der „Bild“-Zeitung. Der Christdemokrat betonte außerdem, dass sich Österreich für einen robusten Schutz der EU-Außengrenzen einsetze. „Denn je besser die Außengrenzen geschützt sind, desto weniger Probleme gibt es an innereuropäischen Grenzen.“
Dagegen kollidieren die Interessen in Berlin und Wien bei den geplanten Zurückweisungen von Asylbewerbern an der deutsch-österreichischen Grenze. „Das Innenministerium hat deshalb die betroffenen Landespolizeidirektionen angewiesen, unionsrechtswidrige Einreiseverweigerungen seitens der deutschen Behörden nicht zu akzeptieren und über Wahrnehmungen unverzüglich Bericht zu erstatten“, teilte das österreichische Innenministerium am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur mit.
Proteste an polnisch-deutscher Grenze
Kanzler Stocker deutete an, dass Österreich bei Zurückweisungen an der deutschen Grenze seinerseits Menschen zurückweisen könnte, die ein Asylgesuch stellen. „Sollten die Maßnahmen Deutschlands Auswirkungen auf Österreich haben und den Migrationsdruck erhöhen, werden wir entsprechende Maßnahmen setzen, um dem wirkungsvoll zu begegnen“, sagte Stocker der „Bild“-Zeitung. Konkret kündigte der Regierungschef an, dass Österreich im Fall von steigenden Asylzahlen die Asylnotfallklausel aktivieren werde, um das Asylrecht auszusetzen.
Auch der polnische Ministerpräsident Donald Tusk will in seinem Land das Asylrecht aussetzen. Polen begründet seine Haltung mit einer hybriden Bedrohung durch Migranten, die in Russland und Belarus an die Grenze zu Polen gebracht werden. Wie Wien verwehrt sich aber auch Warschau gegen die Rücknahme von an der Grenze zu Deutschland zurückgewiesenen Asylbewerbern. Bereits vorige Woche berichtete das Portal „Wirtualna Polska“, die polnische Regierung wolle bei deutschen Zurückweisungen keine Asylbewerber zurücknehmen und denke über Kontrollen an der Grenze zu Deutschland nach. In einem Gespräch mit Tusk hat Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz demnach aber deutlich gemacht, eine kooperative Lösung anzustreben.
Die Anzeichen für eine veränderte deutsche Migrationspolitik haben auch polnische Nationalisten auf den Plan gerufen. Sie haben am Wochenende den Grenzverkehr zwischen Frankfurt (Oder) und Słubice zeitweise blockiert. In Videos auf der Plattform X waren polnische Fahnen, aber auch Holzbretter mit Stacheldraht zu sehen. „Heute haben wir an der Grenze zu den Deutschen Barrieren errichtet. Wenn die Regierung uns nicht verteidigt, verteidigen wir uns selbst!“, schrieb einer ihrer Anführer, Robert Bąkiewicz, auf X. Skepsis ruft in Polen auch ein Zentrum für sogenannte Dublin-Fälle im brandenburgischen Eisenhüttenstadt hervor. Dort sollen ab dieser Woche Rückführungen von Migranten vor allem nach Polen organisiert werden.
- BAYERN 3-Nachrichten: Österreich lehnt Asyl-Rückweisungen an deutscher Grenze ab
09.03.2025 Österreich erteilt den Plänen der Koalitionssondierer von Union und SPD zur Rückweisung von Asylbewerbern an der Grenze eine Absage. Aus der CDU heißt es, man werde Zurückweisungen notfalls auch gegen den Willen der Nachbarländer vollziehen.
Bei ihren Sondierungsgesprächen haben sich die Spitzen von Union und SPD am Samstag auf einen gemeinsamen Kurs in der Migrationspolitik verständigt. Demnach sollen bei den auszuweitenden Kontrollen an den deutschen Landgrenzen künftig auch Menschen zurückgewiesen werden, die ein Asylgesuch stellen – allerdings nur in Abstimmung mit dem jeweiligen Nachbarstaat.
Österreich lehnt Pläne von Union und SPD ab
Österreichs Regierung erteilte am Sonntag jedoch diesen Plänen eine Absage, trotz grundsätzlicher Zustimmung zu einer restriktiveren Zuwanderungspolitik Deutschlands. Österreich werde solche Personen nicht annehmen, teilte das Innenministerium in Wien der Deutschen Presse-Agentur mit.
"Es ist erfreulich, aber auch absolut notwendig, dass sich auch Deutschland dazu bekennt, konsequent gegen illegale Migration vorzugehen", hieß es aus dem Kanzleramt des konservativen Regierungschefs Christian Stocker in Wien. Gleichzeitig kündigte das Kanzleramt Maßnahmen an, falls deutsche Rückweisungen den Migrationsdruck auf Österreich erhöhen würden.
Sollten die zuletzt sinkenden Asylzahlen wieder steigen, werde Österreich die EU-Notfallklausel auslösen und gar keine neuen Anträge mehr annehmen, hieß es.
Befehl an österreichische Polizei: Rückweisungen nicht akzeptieren
Aus der Sicht Österreichs dürfen Menschen, die einen Asylantrag stellen, nach geltendem EU-Recht nicht formlos an der Grenze abgewiesen werden. "Das Innenministerium hat deshalb die betroffenen Landespolizeidirektionen angewiesen, unionsrechtswidrige Einreiseverweigerungen seitens der deutschen Behörden nicht zu akzeptieren und über Wahrnehmungen unverzüglich Bericht zu erstatten", hieß es.
Die neue österreichische Koalitionsregierung aus konservativer ÖVP, sozialdemokratischer SPÖ und liberalen Neos plant selbst restriktive Maßnahmen in den Bereichen Asyl und Migration. So soll etwa der Familiennachzug von schutzberechtigten Menschen vorübergehend gestoppt werden. Union und SPD planen einen ähnlichen Schritt, der Angehörige von Geflüchteten mit eingeschränktem Schutzstatus betreffen würde.
Spahn: Zurückweisungen an der Grenze notfalls im Alleingang
Unions-Fraktionsvize Jens Spahn (CDU) kündigte unterdessen Zurückweisungen von Asylbewerbern an der deutschen Grenze notfalls auch gegen den Willen der Nachbarländer an. Man werde die europäischen Partner informieren und das Vorgehen im besten Fall auch mit ihnen abstimmen, sagte Spahn im Podcast des Nachrichtenportals Table.Briefings. Aber: "Wir machen uns nicht abhängig von der Zustimmung der anderen Länder."
Spahn wies ausdrücklich auf die gewählte Formulierung im Sondierungspapier hin: "Da steht nicht zustimmen, sondern in Abstimmung", sagte er. "Wir sehen alle Rechtsgrundlagen da, um es so oder so durchzusetzen."