30.09.2018
Der 28. September begann mit trüb-unfreundlichem Nieselregen. Doch der Himmel hellte sich pünktlich auf, als die an der Protestversammlung beteiligten Gruppen ihre Stände gegen 17 Uhr auf dem Münsterplatz aufbauten. Dabei waren die Caritas und EMFA mit ev. Kirchenkreis und Lukaskirchengemeinde, der Kölner Flüchtlingsrat, Medinetz, der AK Flucht der Bonner Linken, Mädchentreff Azade und Migrantinnentreff Gülistan, weltoffen und die Bonner Seebrücke, an deren Ständen sich zahlreiche Interessierte mit Informationen versorgten und in die Diskussion kamen.
Das Kundgebungsprogramm wurde eröffnet von dem Sänger Melchi Melchi, der eigene Lieder vortrug und den Applaus der Zuhörer*innen empfing. Anschließend scharten fünf Schülerinnen von AsA mit ihrem Hiphop das Publikum um sich. Sie fanden ebenfalls gute Zustimmung.
Als erster Redner des Abends sprach Ulli Franz von der Bonner attac-Gruppe. Die Rekordzahl Flüchtender in aller Welt, von denen die allermeisten unter schrecklichen Bedingungen in der Region ihrer Heimat bleiben, die gefährlichen Fluchtwege durch Wüsten und über das Mittelmeer, die viele Tausend Menschen bereits das Leben kostete, und die Abschottung Europas und die Zusammenarbeit mit undemokratischen Regierungen als "Türsteher Europas" begründeten die Forderungen: Fähren statt Frontex! Schafft sichere Fluchtwege!
Das Mitsing-Ensemble Hand in Hand stimmte anschließend das "Lied für die Heimatlosen" an und ermutigte die Zuhörer*innen, gemeinsam zu singen.
Dem Gedenken der auf ihrer Flucht verstorbenen Menschen wurde im Verlauf der Kundgebung auch eine Schweigeminute gewidmet. Hierzu sollte die Totenglocke der Kreuzkirche erklingen, was leider durch eine Panne nicht geschah.
Es folgte Lena von Seggern von der Bonner Diakonie, die mit Einzelbeispielen die Problematik der Dublin-Abkommen und der Abschiebungen Geflüchteter in andere europäische Länder aufzeigte.
Anschließend trat eine aus Afghanistan geflüchtete Frau ans Mikrofon, deren Beitrag von Hannah Huser vom Kölner Flüchtlingsrat ergänzt wurde. Ihr gemeinsames Thema war der Protest gegen die Erklärung von mehr und mehr Ländern, auch Kriegsgebieten, zu sicheren Herkunftsländern, um keine Flüchtenden von dort mehr aufnehmen zu müssen. Afghanistan war nicht sicher, als J., eine Lehrerin, von dort floh, und Afghanistan ist bis heute nicht sicher, weshalb es keine Abschiebungen nach Afghanistan geben darf.
Danach erklang wieder Musik über den Münsterplatz. Sarah Kersting vom Politik | Atelier e.V. sang eine eigene Komposition, begleitet von Keybord und Violine.
Den Skandal des verweigerten Familiennachzuges sprach danach Ilja Bergen vom AK Flucht der Linken an.
Gonca und Alex von Gülistan und Azade wiesen auf die Gefahren des erstarkenden Rassismus hin und forderten zu Solidarität mit Geflüchteten und Widerstand gegen Nationalsten und Rassisten auf.
Gabi Al-Barghouti von der Caritas verurteilte in ihrem Redebeitrag die fehlende Menschlichkeit und die Verkehrung aller Werte in Zusammenhang mit Flucht und "Flüchtlingskrise". Mit Blick auf die globale Verantwortung forderte sie, das Asylrecht vor allen Bemühungen der Einschränkung zu retten und auch weitere Fluchtursachen als Asylgründe aufzunehmen.
In ihrem Schlusswort machte Gonca, die die Kundgebung moderiert hatte, ebenso wie zuvor Gabi Al-Barghouti Mut und forderte auf, weiter einzustehen für Menschlichkeit, Solidarität und Gerechtigkeit. Dafür sprachen auch die Vertreter der Bonner Seebrücke, die auf künftige Aktionen hinwiesen.
Diesen Willen bekräftigten alle Anwesenden mit dem gemeinsamen Gesang "We shall overcome", der zum Abschluss auf dem Münsterplatz erklang.
Redebeiträge von J. und Hannah Huser:
Liebe Bonner und Bonnerinnen, mein Name ist J., ich komme aus Herat, Afghanistan. Ich bin 2015 mit meinen Söhnen aus Afghanistan geflüchtet, weil ich von den Taliban bedroht wurde und meine Söhne entführt werden sollten. Ich habe als Lehrerin gearbeitet, das heißt, ich habe u.a. Frauen unterrichtet und beraten, wenn sie Gewalt erlebt hatten.
Die Lage in Afghanistan ist sehr schlecht, viele arme Menschen leben ohne Wasser, Essen, ohne Arbeit. Einem neuen Bericht der UN-Kinderhilfsorganisation Unicef zufolge gehen in Afghanistan fast vier Millionen Kinder nicht zur Schule. Kinder, die zur Schule gehen können, lernen oft auf dem Boden, haben kein Schulgebäude, keine Bücher.
Es gibt keine Sicherheit, alle leben in Angst. Jeden Tag sterben 50,60 Menschen durch Anschläge oder Bomben.
In den Nachrichten in Deutschland gibt es wenig Informationen darüber.
Warum gibt es keine Menschenrechte für afghanische Menschen? Es gibt keine Sicherheit in Afghanistan.
Ich habe Verwandte, eine Familie mit 3 Kindern in Norddeutschland, sie warten seit 3 Jahren auf ein Interview beim BAMF, sie haben Angst und keine Sicherheit, warum ist das so?
Jede Meile der Flugzeuge schickt Menschen in den Tod, wenn sie abgeschoben werden.
Asylrecht muss bleiben. Deutschland sollte keine Doppelpolitik gegenüber Einwanderern haben.
Abschließend möchte ich sagen, Deutschland hat der ganzen Welt bewiesen, dass es möglich ist, Leben zu retten, und das wird in der deutschen Geschichte bleiben.
Und ich danke den Deutschen persönlich für die herzliche Gastfreundschaft.
Liebe Freundinnen und Freunde, Ich möchte mich J.s Worten anschließen. In Afghanistan gibt es nach neuen Berichten des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen und des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen keine einzige „sichere“ Region, in die man abschieben kann!
Dass trotzdem nach Afghanistan abgeschoben wird, ist ein unglaublicher Vorgang. Hier wird sehenden Auges, wissentlich und bewusst Menschen gefährdet werden, alleine aufgrund einer politischen Entscheidung, alleine weil man das durchziehen will und es durchziehen kann.
Menschenrechte sind unteilbar und Abschiebungen in gefährliche Lebenssituationen daher nicht nur unverantwortlich, sondern auch völkerrechtswidrig!
Das gilt auch für Abschiebungen in sog. „sichere Herkunftsländer“ – derzeit neben den EU-Mitgliedsstaaten, die afrikanischen Staaten Ghana und Senegal, sowie fünf Westbalkanstaaten. Und die Liste soll immer länger werden - Tunesien, Algerien, Marokko und Georgien.
Mit der Sicherheits- und Menschenrechtslage in diesen Ländern hat das aber nichts zu tun. Das Konzept der sicheren Herkunftsländer zielt darauf ab, Schutzsuchende aus diesen Ländern abzuschrecken und sie schnell abschieben zu können. Es folgt nicht menschenrechtlichen Tatsachen, sondern politischer Willkür.
Und es untergräbt das Grundprinzip des fairen Asylverfahrens. Denn Schutzsuchenden wird pauschal unterstellt, dass sie keine Schutzgründe hätten. Eine individuelle und sorgfältige Prüfung des Asylgesuchs kann hier nicht garantiert werden.
Und dieser Erosion fairer Asylverfahren sehen sich alle Schutzsuchenden in Deutschland ausgesetzt: Anstatt die oftmals kranken und traumatisierten Menschen erst mal ankommen zu lassen, werden sie Ruckzuck mit freiwilliger Ausreise oder Abschiebung konfrontiert. Sie werden in Schnellverfahren und kurze Prozesse gedrängt, in denen Viele dann - zumal ohne Rechtsbeistand - chancenlos sind.
Können wir uns da noch als ein Land rühmen, das Rechtsstaat und Menschenrechte wahrt? Wahrlich nicht!
Es wird eine Politik in Deutschland betrieben, in der ein NRW-Innenminister das mutmaßliche „Rechtsempfinden der Bevölkerung“ über das Recht stellt und rechtswidrige Abschiebungen politisch verteidigt; in der ein CSU-Landesgruppenvorsitzender von einer „aggressiven Anti-Abschiebe-Industrie“ spricht, und damit ehrenamtliche Helfer, Flüchtlingsberater und Anwälte verunglimpft, die Geflüchtete nur darin unterstützen, den grundgesetzlich garantierten Rechtsweg unseres Rechtsstaates zu beschreiten.
Anstelle von fairen und rechtsstaatlichen Verfahren werden Rechtschutz- und Rechtsweggarantien abgebaut. Anstelle des Flüchtlingsschutzes werden unter dem Label „Integriertes Rückkehrmanagement“ Abschiebungen in Kriegs-, Krisen- und Armutsländer durchgezogen.
Das Recht auf Leben, das Recht auf Zugang zu einem fairen Asylverfahren, das Recht auf Schutz, insbesondere in menschenrechtswidrige Zustände. All dies ist in Gefahr.
Liebe Freundinnen und Freunde, wenn die Politik aufhört, menschenrechtliche und rechtsstaatliche Prinzipien als Grundlage ihres Handels zu achten, so liegt es mehr denn an uns Bürgerinnen und Bürgern, diese Prinzipien einzufordern!
Rede von Gabi Al-Barghouthi, Caritas, Leitung Haus Mondial und Fachbereichsleitung Erwachsene:
Die sogen. “Flüchlingskrise” wird immer mehr in den Medien, in Sozialen Netzwerken und von der Politik als die größte gesellschaftliche Bedrohung der Gegenwart skandalisiert, die uns alle angeblich in unseren Werten, in unserem Wohlstand und in unserer Sicherheit gefährdet.
Ich erlebe die Einwanderung vieler schutzsuchender Menschen mittlerweile auch als Krise: Jedoch als Krise der Humanität, der Menschlichkeit und demokratischer Werte.
Auch ich sehe die Werte unseres “Christlichen Abendlandes” gefährdert, gerade von denen, die diese Werte ständig vor sich hertragen. Sie vergessen, dass die Basis dieser Werte Humanität, christliche Nächstenliebe und der Respekt der Würde jedes Menschen sind. Sie glauben, christliche Werte gegen Geflüchtete verteidigen zu müssen. Der Denkfehler ist: Wir müssen christliche Werte nicht verteidigen. Wir müssen sie für Geflüchtete einsetzen!
Mitgefühl, Empathie, Fürsorglichkeit, Mitmenschlichkeit
Außerdem: Die Werte des christlichen Abendlandes fußen auch auf den Werten der griechisch-römischen Antike und deren Philosophen, die vieles aus den unterschiedlichen Gebieten der hellenistischen Reiche und des römischen Reiches aufgegriffen haben.
Der Transfer antiken Denkens in unser christliches Abendland war in vielen Teilen nur durch arabische Philosophen und Denker möglich, die sich mit diesem Wissen auseinandergesetzt, es bewahrt und weiterentwickelt haben. Und dass als Muslime in islamisch geprägten Reichen.
Bei der Skandalisierung der sogen. „Flüchtlingskrise" ist der eigentliche Skandal, dass die Menschen und ihr Überleben nicht zählen.
Wir bauen Mauern, über Frontex sogar im Mittelmeer,
unterstützen fragwürdige Regime
und überlassen die Menschen unmenschlichen Schicksalen des Dursttodes in der Wüste und der Folterungen in Lagern in Nordafrika.
Und nehmen billigend in Kauf, dass die, die den Weg aufs Meer schaffen, im Meer ertrinken, den wir haben die Seenotrettung quasi eingestellt.
Die Brutalität, Grausamkeit und Armseligkeit dieses politischen Handelns – auch Unterlassung ist eine Handlung - wird ummantelt von einer technokratischen Sprache. Diese Sprache hat nur eine Funktion: Sie versteckt oder verbirgt den Blick auf Leid und Tod der Flüchtenden. Und sie erlaubt, verlangt und vollstreckt eine Politik, die sich an vermeintlichen Sachzwängen oder “Volkes Stimme” orientiert.
Die Frauen, Männer und Kinder, die alles verloren haben und eine Zukunft suchen, sind nicht verantwortlich für den Krieg, den Hunger, die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen und für die Hoffnungslosigkeit in ihrer Heimat.
Verantwortlich für ihr Elend sind zum Teil Faktoren in den Herkunftsländern:
Machtmissbrauch, Koorruption, Misswirtschaft,
Kriege, regionale Konflikte.
Aber auch an diesen Faktoren tragen wir eine große Mitverantwortung:
weil wir aus geopolitischen Erwägungen Dikatoren stützen.
Viele Kriege und regionale Konflikte sind Stellvertreterkriege. Wir haben unsere Kriege sozusagen outgesourct.
Darüber hinaus sind es globale Faktoren:
die rücksichtslose Plünderung aller Ressourcen, die sie zum Leben brauchen, angefangen von landwirtschaftlichen Produkten bis zu den Rohstoffen für unsere Smartphones.
Dazu kommen Schuldenlasten, z.B. durch hohe Importkosten aufgrund des Missverhältnissen zwischen Rohstoffausbeutung und Verarbeitung .
Kurz durch die wirtschaftlichen Ungleichheiten, die uns einen relative Reichtum sichern. (Auch wenn dieser in vielen reichen Ländern ungleich verteilt ist. )
Dies sorgt für:
ausbeuterische Arbeitsverhältnisse,
für regionale Konflikte zwischen Milizen, die auch einen Teil des Kuchens abhaben wollen.
für Armut und Perspektivlosigkeit
Und dies sorgt auch für Umweltschäden und für Naturkatastrophen durch die Klimaveränderung.
Ich warte noch auf die Nachricht, dass Afrikaner am Klimawandel schuld seien, weil sie so gerne Kreuzfahrten auf dem Mittelmeer unternehmen und Kreuzfahrtschiffe bekanntermaßen einen hohen CO2 Ausstoß haben.
Verantwortlich sind auf der politischen Seite die Regierungen Deutschlands und der anderen reichen Länder,
mit ihren Rüstungsexporten und ihrer Finanz-, Handels- und Wirtschaftspolitik, aus denen sie ihren Reichtum schöpfen.
Damit sind Sie auch verantwortlich für die Flucht und den Tod im Mittelmeer.
Deshalb fordern wir heute die Rettung des Asylrechts.
Derzeit jagt eine Asylrechtsverschärfung dies nächste. Was im Eiltempo auf den Weg gebracht wird, wird dramatische Folgen haben:
Einschränkung des Rechts auf Familiennachzug.
Asylschnellverfahren mit fragwürdiger Rechtsstaatlichkeit
Und andere Maßnahmen, die nicht der Integration sondern der Abschreckung dienen.
Unsere Forderung nach Rettung des Asylrechts umfasst aber auch:
Es darf nicht länger nur die individuelle Verfolgung und die Gefahr für Leib und Leben durch Kriegshandlung als Grund gelten, hier Asyl und Schutz zu finden.
Das Asylrecht muss weitere existenzielle Fluchtgründe für Schutzbedürftige umfassen, so wie ich sie gerade aufgeführt haben.
Beim Kampf um das Asylrecht geht es um Menschlichkeit, Solidarität und Gerechtigkeit.
Wir überlassen einer Minderheit die Deutungshoheit über unsere Werte, unser Handeln und unsere Politik.
Mittlerweile sind sie medial so präsent, dass man glauben könnte – und es nach ihrer Überzeugung auch glauben sollte - , dass ihre Meinungen, ihre Überzeugungen, ihre Sprache und ihr Verhalten von der Mehrheit in diesem Land akzeptiert, geduldet oder sogar für gut befunden wird.
ABER: SIE TÄUSCHEN SICH!!!
DENN: WIR SIND MEHR!!!
WIR sind das Volk!
WIR sind plural und vielfältig,!
WIR denken global!
WIR agieren heute lokal und
WIR übernehmen Verantwortung für unsere Mitmenschen und den globalen Auswirkungen unserer Lebensweise
WIR stehen ein für Humanität , global und nicht nur für uns in Europa und die bedingungslose Anerkennung der Würde jedes Menschen. Das zu zeigen, dafür sind wir heute hier.