27.01.2023 Wir zitieren den Beitrag aus den NEWS von PRO ASYL:
Rumänien missbraucht Rückübernahmeabkommen: Dublin-Fällen droht Kettenabschiebung nach Serbien
An der rumänisch-serbischen Grenze sind rechtswidrige Zurückweisungen Alltag. KlikAktiv, der serbische PRO ASYL-Kooperationspartner, dokumentiert, dass Rumänien dafür auch das Rückübernahmeabkommen zwischen der EU und Serbien missbraucht. Asylsuchenden, die unter der Dublin-Verordnung nach Rumänien abgeschoben werden, droht die Kettenabschiebung.
Serbien ist ein zentrales Transitland für Schutzsuchende. Ein Großteil von ihnen kommt laut UNHCR aus Syrien und Afghanistan. Wenn sie Serbien erreichen, haben sie bereits eine Odyssee hinter sich. Sie haben die Grenzanlagen Griechenlands oder Bulgariens überwunden und mussten angesichts der dortigen menschenunwürdigen Aufnahmebedingungen weiterfliehen.
Zwischen den Schutzsuchenden in Serbien und ihren Zielländern wie Deutschland liegt die Balkanroute, die durch Gesetzesverschärfungen, Grenzzäune und gewaltvolle Pushbacks sukzessive geschlossen werden soll – und damit immer gefährlicher für Schutzsuchende wird. Egal ob Ungarn, Kroatien oder Rumänien – überall stoßen Schutzsuchende auf Gewalt und rechtswidrige Zurückweisungen.
Bericht: Missbräuchliche Anwendung von Rückübernahmeabkommen versperrt Zugang zum Asylverfahren in Rumänien
In dem Bericht »Illegal Push Backs From Romania to Serbia« vom Februar 2022 hatte KlikAktiv die Abriegelung der Grenze zwischen Serbien und Rumänien durch Pushbacks der rumänischen Polizei dokumentiert. Asylgesuche werden durch rumänische Einheiten in der Regel ignoriert – ein klarer Verstoß gegen internationales Recht. Schutzsuchende werden häufig gewaltsam über die »grüne Grenze« nach Serbien zurückgeschickt.
Zeitgleich berichteten Schutzsuchende KlikAktiv von einer weiteren Praxis: Unter Rückgriff auf ein EU-Rückübernahmeabkommen werden Asylsuchende von Kroatien, Ungarn und Rumänien nach Serbien abgeschoben. Diesen Missbrauch des Rückübernahmeabkommens dokumentiert KlikAktiv nun für die rumänisch-serbische Grenze im neuen Bericht »‘Formalizing Pushbacks‘ – The use of readmission agreements in pushback operations at the Serbian-Romanian border« (dt. »‘Formalisierte Pushbacks’ – Die Nutzung von Rückübernahmeabkommen in Pushback Operationen an der serbisch-rumänischen Grenze«). Entlang von Fallbeispielen schildert die serbische NGO, wie Betroffenen der Zugang zum effektiven Asylverfahren in der EU versperrt bleibt und sie ohne jeden Schutz nach Serbien abgeschoben werden. Dieser Gefahr sind auch Schutzsuchende ausgesetzt, die im Rahmen der Dublin-III-Verordnung zum Beispiel von Deutschland aus nach Rumänien rücküberstellt werden. Sie drohen, Opfer einer Kettenabschiebung zu werden: von Deutschland nach Rumänien, dann nach Serbien, wo ihnen die Abschiebung ins Herkunftsland angedroht wird.
Ausnahmeklausel: Rückübernahmeabkommen zwischen der EU und Serbien gilt nicht für Schutzsuchende
Rückübernahmeabkommen werden in der Regel zwischen Staaten geschlossen, um die Rückführung von Personen ohne gültigen Aufenthaltsstatus zu erleichtern. Das Abkommen zwischen der EU und Serbien wurde 2007 unterzeichnet. Zusätzlich regelt ein Protokoll aus 2011 die spezifische Abwicklung zwischen Rumänien und Serbien. Das Abkommen gilt nicht nur für die jeweils eigenen Staatsbürger*innen, vielmehr verpflichten sich die Vertragspartner, auch die Rückübernahme von Drittstaatsangehörigen zu erleichtern. Artikel 3 des Abkommens verpflichtet Serbien dazu, alle Drittstaatsangehörige oder staatenlose Personen zurückzunehmen, die Rumänien ohne gültige Einreisedokumente erreicht haben und sich unmittelbar davor in Serbien aufgehalten haben oder durch Serbien gereist sind.
Entscheidend für den Umgang mit Schutzsuchenden ist jedoch die Ausnahmeklausel, Artikel 17 des Abkommens. Hier ist festgehalten, dass die Rechte von Personen, die internationalen Schutz ersuchen, von dem Abkommen unberührt bleiben. Auf sie darf das Abkommen nicht angewendet werden.
Dennoch dokumentierte KlikAktiv im Zeitraum von Juli 2020 und Mai 2022 Fälle von Schutzsuchenden, die auf Grundlage des Rückübernahmeabkommens von Rumänien nach Serbien abgeschoben wurden. Die meisten hatten keinen Zugang zum Asylverfahren in Rumänien. Selbst wenn eine Registrierung stattgefunden hatte und ein Asylverfahren in Rumänien eingeleitet wurde, fand ein effektives und faires Asylverfahren nicht statt, wie die Einzelfälle im Bericht verdeutlichen.
Ausnahmeklausel: Rückübernahmeabkommen zwischen der EU und Serbien gilt nicht für Schutzsuchende
Rückübernahmeabkommen werden in der Regel zwischen Staaten geschlossen, um die Rückführung von Personen ohne gültigen Aufenthaltsstatus zu erleichtern. Das Abkommen zwischen der EU und Serbien wurde 2007 unterzeichnet. Zusätzlich regelt ein Protokoll aus 2011 die spezifische Abwicklung zwischen Rumänien und Serbien. Das Abkommen gilt nicht nur für die jeweils eigenen Staatsbürger*innen, vielmehr verpflichten sich die Vertragspartner, auch die Rückübernahme von Drittstaatsangehörigen zu erleichtern. Artikel 3 des Abkommens verpflichtet Serbien dazu, alle Drittstaatsangehörige oder staatenlose Personen zurückzunehmen, die Rumänien ohne gültige Einreisedokumente erreicht haben und sich unmittelbar davor in Serbien aufgehalten haben oder durch Serbien gereist sind.
Entscheidend für den Umgang mit Schutzsuchenden ist jedoch die Ausnahmeklausel, Artikel 17 des Abkommens. Hier ist festgehalten, dass die Rechte von Personen, die internationalen Schutz ersuchen, von dem Abkommen unberührt bleiben. Auf sie darf das Abkommen nicht angewendet werden.
Für Dublin-Rumänien-Fälle eine Gefahr: Kettenabschiebung nach Serbien
Das Rückübernahmeabkommen ist bis zu einem Jahr anwendbar, gezählt ab dem Tag, an dem die Behörden eines EU-Landes erfahren haben, dass die betreffende Person nicht oder nicht mehr die Voraussetzungen zur Einreise oder zum Aufenthalt erfüllt und über Serbien eingereist ist. Als Beleg genügen die Aussage der betroffenen Person, Zeugenaussagen oder Hinweise wie serbische Kassenzettel, Bustickets oder SIM Karten.
Das Team von KlikAktiv traf Schutzsuchende, die dieser rechtswidrigen Praxis nach ihrer Dublin-Abschiebung nach Rumänien zum Opfer gefallen sind: Sie waren über Serbien und Rumänien nach Belgien, Deutschland, Österreich oder in die Slowakei gelangt und hatten dort einen Asylantrag gestellt. Im Rahmen der Dublin-III-Verordnung wurden sie nach Rumänien rücküberstellt – und fanden sich am Ende in Serbien wieder.
Sie berichteten von ihrer unmittelbaren Inhaftierung nach ihrer Rücküberstellung nach Rumänien, von vergeblichen Versuchen, Asylanträge in Rumänien wiederaufzunehmen, von verdächtig kurzen Interviews, von fehlenden Informationen und schließlich der schnellen Abschiebung nach Serbien. Die analysierten Fälle belegen, dass es sich hierbei um rechtswidrige Abschiebungen auf Grundlage des Rückübernahmeabkommens handelt.
KlikAktiv ordnet ein, das dieser Entscheidung zufolge Serbien unrechtmäßig betreten und innerhalb der nächsten 30 Tage verlassen werden muss. Andernfalls würde eine Abschiebung ins Herkunftsland eingeleitet. Diese Entscheidung verhindert, so KlikAktiv, dass Schutzsuchende wie Bader einen Asylantrag stellen können. Die Betroffenen sind damit auch von den offiziellen Asylunterkünften des serbischen Staates ausgeschlossen. Notdürftig kommen die meisten etwa in leerstehenden Häusern unter.
Dublin Überstellungen nach Rumänien stoppen!
Indem das Rückübernahmeabkommen rechtswidrig auf Schutzsuchende angewendet wird, verwehren die betreffenden Länder diesen den Zugang zu einem effektiven Asylverfahren in der EU. Die missbräuchliche Anwendung des Rückübernahmeabkommens stellt den Versuch dar, die illegalen Zurückweisungen und Abschiebungen zu formalisieren.
Die von KlikAktiv gesammelten Fallbeispiele belegen, dass durch die Anwendung des Abkommens in Rumänien zentrale Verfahrensrechte missachtet werden und selbst Schutzsuchende aus Kriegs- und Konfliktländern wie Syrien und Afghanistan keinen effektiven Zugang zum Verfahren erhalten. Das betrifft sowohl Schutzsuchende, die unmittelbar aus Serbien einreisen als auch Asylsuchende, für deren Schutz sich Rumänien auf Grundlage der Dublin-III-Verordnung als zuständig erklärt hat. Letzteren droht die Kettenabschiebung ins nicht EU-Land Serbien, wo sie, ausgeschlossen von staatlicher Unterstützung, ums nackte Überleben kämpfen müssen.
KlikAktiv ist eine serbische NGO mit Sitz in Belgrad. Das Team bietet kostenlose und unabhängige Rechtsberatung und psychosoziale Unterstützung für Schutzsuchende in Serbien an. Das Team fährt regelmäßig an die serbischen EU-Grenzen und dokumentiert dort die menschenrechtliche Situation von Schutzsuchenden. Seit 2021 wird die Organisation durch die Stiftung PRO ASYL unterstützt.
*Name geändert
(mz/dm)