05.03.2025 Zusammenstellung mehrerer Artikel zum Thema: Geflüchtete aus der Ukraine EuGH-Urteil über die Doppelbeantragung vorübergehenden Schutzes - - Kaum Perspektive für Drittstaatler: Geflüchtete aus der Ukraine nun ohne Schutz - - Studie zu Geflüchteten: Viele Ukrainer:innen wollen bleiben - - Weitgehend gelungene Aufnahme: Vorübergehender Schutz für ukrainische Flüchtlinge in Osteuropa
02.03.2025 FRNRW Aktuell: EuGH-Urteil über die Doppelbeantragung vorübergehenden Schutzes
Der EuGH stellt in einem Urteil (C‑753/23) vom 27. Februar 2025 fest, dass “Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2001/55/EG über die Gewährung vorübergehenden Schutzes einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach einer Person, die vorübergehenden Schutz genießt, die Erteilung eines daraus folgenden Aufenthaltstitels verweigert wird, wenn die Person einen solchen Aufenthaltstitel bereits in einem anderen Mitgliedstaat beantragt, aber noch nicht erhalten hat.” (Quelle: HRRF Newsletter)
Eine ukrainische Staatsangehörige hatte zuerst in Deutschland einen Antrag auf vorübergehenden Schutz und die Erteilung eines Aufenthaltstitel gestellt, etwas später dann auch in Tschechien. Dort wurde ihr Antrag mit Verweis auf das laufende Verfahren aber abgelehnt.
Das vollständige EuGH-Urteil finden Sie unter diesem Link.
05.03.2025 taz: Kaum Perspektive für Drittstaatler Geflüchtete aus der Ukraine nun ohne Schutz
Sie lebten zu Kriegsbeginn in der Ukraine, sind jedoch keine ukrainischen Staatsbürger:innen. Jetzt läuft bei vielen der Schutzstatus in Deutschland aus.
Mehr als eine Millionen Menschen sind seit dem russischen Angriffskrieg aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet. Ab Mittwoch droht einigen von ihnen nun Unsicherheit. Denn am 5. März laufen die Aufenthaltstitel für einen Teil der aus der Ukraine geflüchteten Drittstaatler:innen aus.
Ukrainische Staatsbürger:innen haben über die sogenannte Massenzustromrichtlinie der EU unkompliziert Schutz gefunden. Dieser wurde inzwischen bis März 2026 verlängert. Für Menschen, die zwar aus der Ukraine geflüchtet, dort aber keine Staatsbürger:innen sind, gilt das jedoch nur eingeschränkt.
Familienangehörigen von Ukrainer:innen oder in dem Land anerkannten Flüchtlingen wird weiterhin Schutz gewährleistet. Personen, die zu Kriegsbeginn nur mit einem befristeten Aufenthaltstitel in der Ukraine lebten, verlieren nun aber ihre deutsche Aufenthaltserlaubnis. Das betrifft zum Beispiel Menschen aus Nigeria, Vietnam oder Ghana, die als Studierende oder Fachkräfte in der Ukraine gelebt haben, bis der Krieg ausbrach.
Wie viele der 39.000 Drittstaat le r:in nen betroffen sind, konnte das Bundesinnenministerium nicht beantworten
Ohne Aufenthaltstitel droht Abschiebung
Das Bundesinnenministerium erklärt auf taz-Anfrage: „Die betroffenen Personen haben sämtlich einen Herkunftsstaat, in den sie zurückkehren können, sie sind nicht auf eine Rückkehr in die Ukraine verwiesen.“ Flüchtlingsorganisationen kritisieren derweil, dass viele Betroffene in ihren Heimatländern keine Perspektive hätten. Wie viele der 39.000 aus der Ukraine geflüchteten Drittstaatler:innen von der Regelung betroffen sind, konnte das Bundesinnenministerium nicht beantworten. Man gehe davon aus, dass „der weit überwiegende Anteil weiterhin zur schutzberechtigten Gruppe gehört“.
Die Betroffenen hatten bis zum 5. März Zeit, sich um einen anderen Aufenthaltstitel zu bemühen. Ein Asylantrag kommt für viele nicht infrage, etwa weil damit eine vorübergehende Sperre der Arbeitserlaubnis einhergehen würde. Andere Möglichkeiten sind Aufenthaltserlaubnisse etwa für ein Studium oder eine Ausbildung. Andernfalls sind die Betroffenen ab Mittwoch ausreisepflichtig. Sollten sie Deutschland nicht verlassen, droht eine Abschiebung in ihr Herkunftsland.
Viele Ukrainer:innen wollen bleiben
Während die Zukunft vieler Drittstaatsangehöriger unsicher ist, wollen über die Hälfte der geflüchteten Ukrainer:innen langfristig in Deutschland bleiben. Das ergab eine Studie, die am Montag vom Mediensdienst Integration in Berlin vorgestellt wurde. Ob Ukrainer:innen zurückkehren wollen, hängt demnach stark vom weiteren Verlauf des Krieges und der wirtschaftlichen Lage in der Ukraine ab.
Für die Studie wurden über 3.400 Personen befragt. In vielen Bereichen gibt es demnach Fortschritte. Der Großteil der ukrainischen Schüler:innen werde in deutschen Regelklassen unterrichtet. Lediglich 16 Prozent besuchen noch ausschließlich Spezialklassen, in denen sie vor allem Deutsch lernen sollen.
Auch die Sprachkenntnisse der Ukrainer:innen haben sich deutlich verbessert: Nur noch 12 Prozent geben an, gar keine Deutschkenntnisse zu haben (gegenüber 78 Prozent zum Zeitpunkt der Einreise). 70 Prozent haben einen Integrationskurs besucht. Hürden gebe es bei der Kinderbetreuung und der Arbeitsmarktintegration: 22 Prozent der ukrainischen Geflüchteten waren 2023 erwerbstätig. Je länger sie in Deutschland sind, desto eher arbeiten sie. Allerdings gehe die Hälfte einer Arbeit nach, die unterhalb ihrer Qualifikation liege.
Yuliya Kosyakova vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) fordert, angesichts des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels in Deutschland sollten die ukrainischen Geflüchteten besser in den Arbeitsmarkt integriert werden. Es brauche eine langfristige Lösung, statt den Schutzanspruch immer wieder um ein Jahr zu verlängern. Das würde die Ungewissheit der Ukrainer:innen verringern und auch Unternehmen mehr Planungssicherheit geben. Und das könne auch die Integration verbessern.
03.03.2025 taz: Studie zu Geflüchteten Viele Ukrainer:innen wollen bleiben
Die Integration von ukrainischen Geflüchteten läuft in vielen Bereichen gut, zeigt eine neue Studie. Bei Arbeit und Kinderbetreuung gibt es noch Hürden.
Berlin taz | Mehr als die Hälfte der rund eine Million Ukrainer:innen, die in Folge des russischen Angriffskrieges auf ihr Land nach Deutschland geflohen sind, wollen laut einer Befragung bleiben. Ob Ukrainer:innen zurückkehren wollen, hängt stark vom weiteren Verlauf des Krieges und der wirtschaftlichen Lage in der Ukraine ab. Das geht aus einer am Montag vom Mediendienst Integration in Berlin vorgestellten Studie hervor.
Für die Studie wurden zwischen Juli 2023 und Januar 2024 über 3.400 Personen befragt. Die Analyse wurde gemeinsam von dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), dem Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF-FZ) und dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) erarbeitet. Konkret wurde die Lebenssituation und Teilhabe der ukrainischen Geflüchteten untersucht.
Drei Viertel der ukrainischen Geflüchteten sind Frauen, 76 Prozent davon haben Kinder. Der Anteil der Männer ist zuletzt von 22 auf 25 Prozent leicht angestiegen. Das führe zu einer Stabilisierung vieler Familien, sagt Sabine Zinn vom DIW. Fortschritte gäbe es auch bei der schulischen Situation: Der Großteil der ukrainischen Schüler:innen werden in deutschen Regelklassen unterrichtet, lediglich 16 Prozent besuchen noch ausschließlich Spezialklassen, in denen sie vor allem Deutsch lernen sollen.
Ukrainische Kinder würden aber überproportional häufig Mittel- und Hauptschulen besuchen, was darauf hindeute, dass manche nicht ihrem Leistungsniveau entsprechend unterrichtet werden. Hier bestehe Handlungsbedarf, um mehr Chancengleichheit zu gewährleisten, so Zinn.
Immer bessere Deutschkenntnisse
Im zweiten Halbjahr 2023 hatten laut Studie 70 Prozent der Geflüchteten einen Integrationskurs absolviert oder befanden sich in einem solchen. Ihre Deutschkenntnisse hätten sich deutlich verbessert: Nur noch 12 Prozent geben an, gar keine Deutschkenntnisse zu haben (gegenüber 78 Prozent zum Zeitpunkt der Einreise).
Vor allem bei Frauen mit kleinen Kindern gäbe es Hürden: „Für einen noch erfolgreicheren Deutscherwerb sind vor allem eine durchgängige Kinderbetreuung und insbesondere im Rahmen von Berufssprachkursen flexible Kursformate von Bedeutung“, sagt Nina Rother, Leiterin des Forschungsfeldes Integration im BAMF-FZ.
Beim Thema Arbeit gibt es noch Verbesserungsbedarf: 22 Prozent der ukrainischen Geflüchteten hatten 2023 eine Erwerbstätigkeit. Je länger die Ukrainer:innen in Deutschland sind, desto öfter arbeiten sie. Über die Hälfte gehen dabei einer Arbeit nach, die unterhalb ihrer letzten Tätigkeit im Heimatland liege.
Yuliya Kosyakova vom IAB kritisiert, dass angesichts des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels in Deutschland, die ukrainischen Geflüchteten besser in den Arbeitsmarkt integriert werden sollten. Das würde auch die Planungssicherheit für die Geflüchteten verbessern. So könnten flexible Arbeitszeitangebote, Unterstützung beim Spracherwerb, frühzeitige Arbeitsmarkt- und Berufsberatung sowie die Ausweitung von Kinderbetreuungsangeboten die Integration ukrainischer Geflüchteter in den deutschen Arbeitsmarkt beschleunigen.
„Ein weiterer Baustein ist der Bürokratieabbau bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse und entsprechende Unterstützung bei der Informationsbeschaffung“, sagt Kosyakova. Ob Ukrainier:innen Arbeit finden, hänge auch stark an den persönlichen sozialen Netzwerken: 51 Prozent hätten vor allemvon deutschen Freunden und Bekannten von freien Stellen erfahren.
Es gibt weiterhin Hürden für Ukrainer:innen
Nataliia Lichkonenko ist eine der Personen, die 2022 aus der Ukraine geflohen sind. Mittlerweile lebt sie in Bayern. In der Ukraine hat sie 25 Jahre als Ingenieurin und Dozentin gearbeitet. Ihre Qualifikation wurde in Deutschland anerkannt, sie findet in ihrem Bereich aber keinen Job, sagt sie. In Deutschland arbeitet sie als Sprach- und Kulturvermittlern zwischen anderen ukrainischen Geflüchteten und deutschen Behörden. „Wir machen uns Sorgen wegen der Sicherheit beim Wohnen, weil es so eine hohe Nachfrage gibt“, sagt Lichkonenko.
Weitere Herausforderungen seien bürokratische Hürden und Verständnisprobleme bei Bildung, Versicherungen und Steuern. Noch wisse sie nicht, ob und wann sie in die Ukraine zurückkehren soll. Ihr elfjähriger Sohn hätte sich hier gut integriert und würde besser Deutsch sprechen als sie selbst. Auf die Migrationsdebatte in Deutschland angesprochen sagt sie, dass sich die Stimmung im Vergleich zum Kriegsbeginn geändert hätte. Studien zeigten, so Kosyakova, dass lokale Stimmungen gegen Migranten zu einer niedrigen Arbeitsmarktintegration führen.
03.03.2025 News von Pro Asyl:
Weitgehend gelungene Aufnahme: Vorübergehender Schutz für ukrainische Flüchtlinge in Osteuropa
Mehr als vier Millionen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine finden bis heute Schutz in der EU. Allein 40 Prozent von ihnen in sieben osteuropäischen Ländern. Welchen positiven Beitrag dazu die von der EU aktivierte Richtlinie zum vorübergehenden Schutz geliefert hat, beschreibt ein zum dritten Jahrestag der Aktivierung vorgelegter Bericht.
Die Aufnahme von mehr als vier Millionen Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine hat bewiesen, dass die EU-Staaten in der Lage sind, Geflüchtete in großer Zahl aufzunehmen – »unter weitgehend akzeptablen Bedingungen«. So beginnt das Fazit des Berichts »Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Die Richtlinie zum vorübergehenden Schutz und ihre Umsetzung in Osteuropa«, den der Verein bordermonitoring.eu mit Unterstützung von PRO ASYL zum dritten Jahrestag der EU-weiten Aktivierung des vorübergehenden Schutzes vorgelegt hat. Entscheidend dafür, dass die Aufnahme weitgehend geräuschlos und ohne größere Probleme stattgefunden hat, ist die Tatsache, dass die EU-Staaten sehr schnell unbürokratische Regelungen beschlossen haben, die die Interessen der Geflüchteten berücksichtigen.
EU aktiviert Richtline wenige Tage nach dem russischen Überfall
Am 4. März 2022 – nur acht Tage nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine – aktivierten die EU-Mitgliedstaaten die Richtlinie zum vorübergehenden Schutz. Dadurch gelang es, Millionen von Flüchtlingen schnell und unkompliziert aufzunehmen, heißt es in dem Bericht weiter: keine langwierigen Asylverfahren, schneller Zugang zu Arbeitsmärkten und Wohnungen und vor allem Freizügigkeit, mit der die Betroffenen selbst entscheiden konnten, »in welchem Land eine Integration aufgrund ihrer individuellen Voraussetzungen und oftmals bereits vorhandener sozialer Netzwerke am erfolgversprechendsten ist«.
Eine Einschränkung gab es aber leider doch: Viele Drittstaatsangehörige wie Geflüchtete oder ausländische Studierende wurden vom vorübergehenden Schutz ausgeschlossen. Möglich wurde das, weil es den EU-Staaten freigestellt wurde, wie sie mit Menschen umgehen, die zwar bei Kriegsbeginn in der Ukraine lebten, aber keine ukrainische Staatsangehörigkeit besitzen. Diese offene Formulierung sorgte in der Umsetzung für Schutzlücken. So ist zum Beispiel Ungarn besonders restriktiv. Dort können Drittstaatsangehörige nur vorübergehenden Schutz erhalten, wenn sie Familienangehörige von ukrainischen Staatsangehörigen sind oder in der Ukraine als Flüchtlinge anerkannt waren.
»Die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine zeigt, dass ein solidarisches und aufnahmebereites Europa, das sein politisches Handeln an den Interessen der Menschen auf der Flucht ausrichtet, durchaus im Bereich des Möglichen liegt.« Aus dem Bericht
Dennoch gilt generell: Gerade auch angesichts der nationalen und europäischen Debatten, in denen das Recht auf Schutz immer offensiver in Frage gestellt wird, zeigt die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine, »dass ein solidarisches und aufnahmebereites Europa, das sein politisches Handeln an den Interessen der Menschen auf der Flucht ausrichtet, durchaus im Bereich des Möglichen liegt«.
21 Jahre, bis vorübergehender Schutz zum ersten Mal angewendet wird
Die Richtlinie zum vorrübergehenden Schutz, die (etwas abwertend) immer wieder Massenzustrom-Richtlinie genannt wird, heißt komplett »Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten«. Beschlossen Mitte 2001 unter dem Eindruck der Jugoslawienkriege, dauerte es dennoch 21 Jahre, bis die EU-Staaten sie das erste Mal anwendeten. Weder die Entwicklungen in Libyen (2011), Tunesien (2011), der Ukraine (2014) und in Syrien (ab 2011) noch die Tatsache, dass im Jahr 2015 mehr als eine Million Flüchtlinge nach Europa kamen, führten zuvor zur Aktivierung.
Recherchereisen in sieben osteuropäische Staaten
Im Mittelpunkt des Berichts stehen sechs osteuropäische EU-Staaten, die Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen haben: Polen, Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und Tschechien. Sie haben zusammen 40 Prozent der rund 4,3 Millionen Flüchtlinge mit vorübergehendem Schutz (Stand Ende 2024) aufgenommen, obwohl sie nur 20 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen. Hinzu kommt das Nicht-EU-Land Moldau, in dem etwa 65.000 Menschen einen an die Richtlinie zum vorübergehenden Schutz angelehnten temporären Schutzstatus bekamen.
Elfmal reiste der Autor Marc Speer vom Verein bordermonitoring.eu in die osteuropäischen Länder, um die Aufnahme der Flüchtlinge aus der Ukraine zu beobachten und zu dokumentieren. Kombiniert mit umfangreichem Datenmaterial und Quellenstudien gibt der 90 Seiten lange Bericht einen Überblick über die Richtlinie samt ihrer Geschichte sowie zu wichtigen Aufnahme-Themen: die jeweilige politische Situation, die Ein- und Weiterreise, das Verfahren der Aufenthaltsgewährung sowie Unterbringung, Sozialleistungen, Arbeitsmarkt, Schulbildung und Gesundheitsversorgung. Ermöglicht wurde das von Mai 2022 bis September 2023 laufende Projekt mit weitreichender Unterstützung von PRO ASYL.
Unterbringung auch jenseits von Sammelunterkünften
So ist es zum Beispiel in den untersuchten Staaten »relativ gut gelungen«, eine Unterbringung jenseits von Sammelunterkünften zu ermöglichen. Aus zwei wesentlichen Gründen: Es gab eine große Bereitschaft in der Bevölkerung, einschließlich der bereits im Fluchtland wohnenden ukrainischen Community, Flüchtlinge privat aufzunehmen – und diese Bereitschaft wurde finanziell gefördert. Zudem ermöglichte die hohe Aufnahmefähigkeit der nationalen Arbeitsmärkte es vielen Ukrainer*innen, relativ schnell Geld zu verdienen und so eine eigene Wohnung zu mieten.
Obwohl die betrachteten osteuropäischen Staaten nicht als flüchtlingsfreundlich gelten, gab es gegenüber den Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine sowohl eine private Welle der Hilfsbereitschaft als auch große politische Solidarität.
Problematisch dabei war aber laut Bericht, dass tendenziell niedrige Löhne auf hohe Mieten treffen und besonders in Ballungsräumen die Situation auf den bereits vor Kriegsbeginn oft angespannten Mietmärkten weiter verschärft wurde. Kritisch ist auch, dass fast alle untersuchten Staaten die kostenlose Unterbringung in Sammelunterkünften beschränkten. So sind, heißt es im Bericht weiter, besonders vulnerable oder diskriminierte Gruppen wie Rom*nja, denen es nur schwer gelingt, auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt Fuß zu fassen, zunehmend von Obdachlosigkeit bedroht.
Große Hilfsbereitschaft für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine
Obwohl die betrachteten osteuropäischen Staaten nicht als flüchtlingsfreundlich gelten, gab es gegenüber den Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine sowohl eine private Welle der Hilfsbereitschaft als auch große politische Solidarität, besonders in Polen und Tschechien. Das wurde schon bei der Einreise deutlich und setzte sich bei der pragmatischen Erteilung von Aufenthaltstiteln fort. Dies wäre auch für Deutschland wünschenswert gewesen, heißt es weiter, »wo ukrainische Geflüchtete oft viele Monate warten mussten, bis ihnen […] ein Aufenthaltstitel erteilt wurde«.
Bemerkenswert ist auch die hohe Beschäftigungsquote insbesondere in Polen und Tschechien. Dabei spielte neben der sprachlichen Nähe vor allem die Existenz ukrainischer Communities eine wichtige Rolle. Sie konnte Kontakte vermitteln, zudem waren Arbeitgeber*innen bereits mit ukrainischen Arbeitskräften vertraut. Doch es gab und gibt auch problematische Aspekte: Viele Ukrainer*innen arbeiten trotz guter Ausbildung im Niedriglohnsektor, und nicht alle aus der Ukraine geflohenen Kinder besuchen eine örtliche Schule.
Wie sollte es weitergehen?
Drängender wird auch die Frage, wie es für die Flüchtlinge aus der Ukraine weitergehen soll. Der Rat der EU hat den vorübergehenden Schutz zwar bis zum 4. März 2026 verlängert – doch es stellt sich angesichts der Länge des Krieges auch die Frage, ob und wie der vorübergehende Schutz in dauerhafte Lösungen umgewandelt werden kann. So hat Polen zum Beispiel im Sommer 2024 die gesetzlichen Voraussetzungen für einen leichten Übergang vom vorübergehenden Schutz in eine dreijährige Aufenthaltserlaubnis geschaffen.
Möglich wäre aber auch eine europäische Lösung. Wichtig dabei sei aber, so der Bericht, dass ein längerfristiger Aufenthaltstitel nicht zwingend von der eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts abhängig gemacht wird. Dies würde gerade besonders schutzbedürftige Personen ausschließen.
Der Bericht »Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Die Richtlinie zum vorübergehenden Schutz und ihre Umsetzung in Osteuropa« kann hier abgerufen werden.
PRO ASYL hat in den vergangenen Jahren Texte zu den Recherchereisen zum Umgang mit den Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine veröffentlicht: Slowakei, Moldau, Ungarn, Rumänien, Polen, Tschechien.