Schwere Vorwürfe gegen griechische Küstenwache jetzt durch BBC-Recherche belegt

18.06.2024 Seit langem beklagt, jetzt belegt: Angehörige der griechischen Küstenwache sollen systematisch Geflüchtete zurück aufs Meer gedrängt und sie ihrem Schicksal überlassen haben. Mehrere Medien berichten heute über eine Recherche der BBC. Diese untersuchte einen Zeitraum von drei Jahren und interviewte mehrere Betroffene. Das Ergebnis ist in der sendereigenen Dokumentation „Totenstille: Töten im Mittelmeer?“ zu sehen.. Diese BBC untersuchte einen Zeitraum von drei Jahren und interviewte mehrere Betroffene. Das Ergebnis ist in der sendereigenen Dokumentation „Totenstille: Töten im Mittelmeer?“ zu sehen.

Wir zitieren hierzu die Frankfurter Rundschau:

Menschen gefesselt und ins Meer geworfen? Schwere Vorwürfe gegen griechische Küstenwache

Polizei und Küstenwache in Griechenland sollen Migranten systematisch zurückdrängen – teils mit menschenverachtenden Methoden. Zeugen berichten.

München – Vor einem Jahr ereignete sich vor der griechischen Küste eines der schwersten Schiffsunglücke im Zusammenhang mit Migranten, bei dem mehr als 600 Menschen starben. Überlebende werfen der griechischen Küstenwache vor, nicht adäquat geholfen zu haben, und klagten. Jetzt werden neue Vorwürfe gegen die Küstenwache laut – und sie schockieren.

Angehörige der griechischen Küstenwache sollen systematisch Geflüchtete zurück aufs Meer gedrängt und sie ihrem Schicksal überlassen haben. Eine Praxis an den EU-Außengrenzen, die Aktivistinnen und Aktivisten immer wieder kritisieren. Die BBC untersuchte einen Zeitraum von drei Jahren und interviewte mehrere Betroffene. Das Ergebnis ist in der sendereigenen Dokumentation „Totenstille: Töten im Mittelmeer?“ zu sehen.

Griechische Küstenwache soll menschenverachtende Pushbacks durchführen

Seit Längerem steht die griechische Regierung im Verdacht von illegalen „Pushbacks“. „Ärzte ohne Grenzen“ prangerte bereits im November 2023 physische Gewalt gegen, sowie Erniedrigungen und demütigende Leibesvisitationen von Migrantinnen und Migranten an. Was jetzt überlebende Geflüchtete schildern, wirft ein noch grausameres Licht auf die Vorwürfe. BBC analysierte 15 Vorfälle, die zwischen Mai 2020 und Mai 2023 stattgefunden haben sollen. In 43 Fällen seien Menschen gestorben, einige überlebten und schilderten Unmenschliches.

Ein Kameruner berichtet vom Martyrium, das er und zwei weitere Migranten erfuhren, nachdem sie im September 2021 die Insel Samos erreicht hatten. „Kaum hatten wir angelegt, kam die Polizei von hinten“, erzählte der Mann BBC. „Es waren zwei Polizisten in Schwarz und drei weitere in Zivil. Sie waren maskiert, man konnte nur ihre Augen sehen.“ Von ihnen seien sie auf ein Boot der griechischen Küstenwache gebracht worden.

Gefesselt ins Meer geworfen? Migrant schafft es gerade noch ans rettende Ufer

Auf dem Meer haben sie demnach zunächst den anderen Kameruner und dann den Mann von der Elfenbeinküste über Bord geworfen. „Langsam glitt seine Hand unter die Wasseroberfläche und wurde vom Wasser verschlungen“, schilderte der Überlebende. Er selbst sei „wie ein Tier“ geschlagen worden. Dann haben sie auch ihn ohne Schwimmweste ins Wasser geworfen. Er habe sich ans Ufer retten können, seine beiden Begleiter seien später tot an der türkischen Küste geborgen worden. Samos ist keine 40 Kilometer von der Türkei entfernt.

Bei einer anderen Gruppe soll die griechische Küstenwache noch grausamer vorgegangen sein. Ein Somalier schilderte, dass er und weitere Geflüchtete im März 2021 „mit Kabelbindern gefesselt mitten ins Meer“ geworfen worden sei. „Sie wollten, dass ich sterbe.“ Er habe nur überlebt, weil er es auf dem Rücken schwimmend schaffte, eine Hand aus der Fessel zu lösen und ans Ufer zu gelangen. Andere ertranken.

Österreichischer Menschenrechtsaktivist berichtet von geheimen Zwangsrückführungen

Ein Migrant aus Syrien berichtete, dass die griechische Küstenwache seine Familie nach einem Hilferuf in türkische Gewässer zurückgebracht und sie auf ein Schlauchboot gesetzt habe. Weil das Ventil nicht richtig verschlossen gewesen sei, begannen sie „sofort zu sinken. Sie hörten uns alle schreien und trotzdem ließen sie uns im Stich“, sagte er der BBC. Sieben oder acht Kinder seien gestorben, manche kurz, bevor ein türkisches Rettungsschiff eintraf.

In der BBC-Dokumentation kommen weitere Opfer zur Sprache, die ähnliches erlebten und den Verdacht illegaler „Pushbacks“ durch die griechische Küstenwache erhärten. Der österreichische Menschenrechtsaktivist Fayad Mulla berichtete, dass Zwangsrückführungen oft geheim ablaufen. Auf eine BBC-Anfrage zu den Vorwürfen antwortete die Küstenwache, dass sie alle Vorwürfe illegaler Aktivitäten entschieden zurückweise. Ein Problem sind Pushbacks und Gewalt auch auf der Balkanroute. (mt)