Sichere Herkunftsstaaten per Verordnung bestimmen? Innenausschuss hörte Experten dazu an. Gründe, den Gesetzentwurf abzulehnen

aktualisiert 14.10.2025 durch Beitrag aus den News von Pro Asyl mit Gründen, warum der Bundestag den Gesetzentwurf ablehnen sollte.

Im Bundestag wird ein Gesetz diskutiert, laut dem »sichere Herkunftsstaaten« nicht mehr per Gesetz bestimmt werden sollen, sondern per Rechtsverordnung der Bundesregierung. Bundestag und Bundesrat wären also außen vor. Damit will die Bundesregierung nicht nur einen für sie unliebsamen politischen Prozess umgehen, sondern auch das Grundgesetz.

Noch vor der Sommerpause hatte das Kabinett den Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD beschlossen, nun diskutieren die Abgeordneten des Bundestages über den Entwurf eines Gesetzes mit zwei Themen: die Bestimmung »sicherer Herkunftsstaaten« durch Rechtsverordnung und die Abschaffung des anwaltlichen Vertreters bei Abschiebungshaft und Ausreisegewahrsam. Für die Sachverständigenanhörung im Innenausschuss war auch PRO ASYL geladen und hat Stellung bezogen.

Beide Vorschläge des Gesetzentwurfes lehnt PRO ASYL entschieden ab und empfiehlt das auch dem Bundestag. In diesem Text geht es um den Vorschlag zu den »sicheren Herkunftsstaaten«. Zur Abschaffung des Pflichtanwalts/der Pflichtanwältin in der Abschiebungshaft gibt es hier mehr Informationen.

Das Konzept »sichere Herkunftsstaaten« ist grundsätzlich falsch

PRO ASYL lehnt es grundsätzlich ab, Herkunftsländer von Geflüchteten per se als »sicher« zu definieren. Denn dies hat die schwerwiegende Folge, dass Asylanträge in der Regel pauschal abgelehnt werden und die verfahrensrechtliche Möglichkeit, sich dagegen zur Wehr zu setzen, auf ein Minimum reduziert ist. Den Schutzsuchenden wird pauschal unterstellt, keine Schutzgründe zu haben. Damit wird ihnen eine kaum zu bewältigende Beweislast aufgebürdet, indem sie nachweisen müssen, dass sie in einem Land gefährdet sind, das nach deutschen Vorgaben als sicher gilt – nach dem Prinzip »im Zweifel gegen die Schutzsuchenden«. Und das auch noch oft in beschleunigten Verfahren. Dies kann zu Fehlentscheidungen und damit verbundenen rechtswidrigen Abschiebungen führen, die die betroffenen Menschen in große Gefahr bringen. Bereits 1993 (sogenannter Asylkompromiss) hat sich PRO ASYL entschieden gegen eine solche Regelung gewandt – und bleibt dabei: Ob eine Verfolgung im Herkunftsland vorliegt oder nicht, muss auf der Grundlage einer individuellen und unvoreingenommenen Prüfung des Asylantrages festgestellt werden.

HINTERGRUND  Das Konzept „sichere Herkunfts-staaten“

Im Widerspruch zur Genfer Flüchtlingskonvention 

Laut dem Europäischen Flüchtlingsrat ECRE widerspricht das Konzept »sichere Herkunftsstaaten« zudem Artikel 3 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), wonach die darin festgehaltenen Bestimmungen ohne unterschiedliche Behandlung aufgrund des Herkunftslandes anzuwenden sind. Entsprechende Listen »tragen weiter zur Praxis der Stereotypisierung bestimmter Anträge auf Grundlage der Nationalität bei und erhöhen das Risiko, dass solche Anträge keiner eingehenden Prüfung der Furcht einer Person vor individueller Verfolgung oder ernsthaftem Schaden unterzogen werden«, so ECRE.

Asylsuchende aus »sicheren Herkunftsstaaten« sind zudem nicht nur im Asyl- und Klageverfahren schlechter als andere Asylsuchende gestellt, sondern auch bei der Unterbringung und beim Zugang zum Arbeitsmarkt, der ihnen grundsätzlich versperrt bleibt.

Geplant: Zwei Arten von »sicheren Herkunftsstaaten« – nach dem Grundgesetz und nach Europarecht

Seit dem sogenannten Asylkompromiss von 1993 steht das Konzept der »sicheren Herkunftsstaaten« in Artikel 16a Absatz 3 Grundgesetz (GG). Dieser besagt ausdrücklich: Diese Bestimmung muss per Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates erfolgen.

Diese Zustimmungspflicht des Bundesrates und die Gesetzgebungskompetenz des Bundestages sollen mit dem aktuellen Gesetzentwurf umgangen werden, indem »sichere Herkunftsstaaten« im Sinne der Asylverfahrensrichtlinie eingeführt werden sollen (Paragraf 29b Asylgesetz-Entwurf (AsylG‑E)). Diese geplante Umgehung des Verfahrens wäre verfassungswidrig.

Grundgesetz stellt sowohl auf politische Verfolgung als auch auf andere Menschenrechtsverletzungen ab 

Diese Bewertung ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut des Grundgesetzes: »Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet« (Artikel 16a Absatz 3 S. 1 GG). Die Formulierung zeigt, dass zwar zum einen auf die »politische Verfolgung« abgestellt wird, zum anderen aber auch auf die »unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung«, die in Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention verboten wird. Damit ist eine strenge Trennung zwischen der politischen Verfolgung, vor der das Grundgesetz schützt, und anderen Menschenrechtsverletzungen, vor der der internationale Schutz des europäischen Asylrechts schützt, nicht möglich.

Vielmehr zeigt die Formulierung, dass mit dem Grundgesetz klare Gesetzgebungsregeln in Deutschland für »sichere Herkunftsstaaten« sowohl im Sinne des Grundgesetzes als auch im Sinne des europäischen Rechts festgelegt wurden. Auch das Bundesverfassungsgericht stellte in seiner Entscheidung zu Ghana im Jahr 1996 fest, dass Artikel 16a Absatz 3 GG sowohl die Asylberechtigung als auch die Flüchtlingsanerkennung umfasst. Wäre dies nicht der Fall, würde eine Vereinfachung und Beschleunigung gerade verhindert werden. Es ist also keine Regelungslücke erkennbar, die mit dem geplanten neuen Gesetz geschlossen werden müsste.

Grundgesetz fordert ein parlamentarisches Gesetz mit Zustimmung des Bundesrats

Zum anderen spricht auch eine Auslegung gemäß Sinn und Zweck der Regelung dafür, dass für jegliche Bestimmungen »sicherer Herkunftsstaaten« in Deutschland ein Gesetzgebungsverfahren mit Zustimmung des Bundesrates gilt. Letztlich bedeuten »sichere Herkunftsstaaten« eine Abschwächung des individuellen Grundrechts auf Asyl und des Flüchtlingsschutzes für die betroffene Person. Und um dieser grundrechtsrelevanten Bedeutung gerecht zu werden, ist eine gesetzliche Bestimmung durch Bundestag und Bundesrat folgerichtig. Das Bundesverfassungsgericht entschied bereits 1999, dass grundrechtsrelevante Entscheidungen so wesentlich seien, dass sie vom Gesetzgeber zu treffen sind.

Auch sind bei der Flüchtlingsaufnahme die Bundesländer wichtige Akteure in Deutschland, weshalb ihr Mitbestimmungsrecht bei entscheidenden Weichenstellungen in dem Bereich richtig ist. Ihre Interessen sind zum Beispiel dadurch berührt, dass Asylsuchende aus »sicheren Herkunftsstaaten« die Erstaufnahmeeinrichtungen im Regelfall nicht verlassen dürfen.

Und schließlich würde die vorgeschlagene Etablierung einer zweiten nationalen Liste zu einem weiteren Relevanzverlust des Artikel 16a Grundgesetz führen, was nicht im Sinne der Verfassung sein dürfte.

Zusätzliche Verkomplizierung der Asylverfahren

Eine solche Neuregelung mit zwei Arten von »sicheren Herkunftsstaaten« würde zudem zu einer widersinnigen Verkomplizierung des Verfahrens und zu mehr Rechtsunsicherheit führen. Denn eigentlich gilt der Grundsatz, dass in einem Asylverfahren stets der Artikel 16a GG, Flüchtlingsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und subsidiärer Schutz gemeinsam geprüft werden. Zukünftig würde aber für die Prüfung von Artikel 16a GG eine andere Liste mit »sicheren Herkunftsstaaten« gelten als für die Prüfung des Flüchtlingsschutzes und des subsidiären Schutzes.

Sollte zum Beispiel Tunesien künftig per Rechtsverordnung als »sicher« deklariert werden, dann würde für einen tunesischen Antragsteller im Asylverfahren bei Prüfung des Anspruchs nach Artikel 16a GG ein anderer Prüfrahmen gelten als bei der Prüfung seines Anspruchs auf Flüchtlingsschutz. Da bei Personen aus »sicheren Herkunftsstaaten« eigene Verfahrens- und Aufnahmeregelungen gelten ist dann die Frage, wie sich das konkret auf einen solchen Fall auswirkt und welche Regeln angewendet werden.

Kritische öffentliche Diskussion ist wichtig

In den letzten Jahren hat sich immer wieder gezeigt, wie wichtig öffentliche und politische Diskussionen über die Einstufung von Ländern als »sichere Herkunftsstaaten« sind. Der Bundesrat hat sich als wichtiges Korrektiv für voreilige oder falsche Entscheidungen erwiesen. Zum Beispiel scheiterte die Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als »sichere Herkunftsstaaten« nach großer öffentlicher Diskussion und Protest aus der Zivilgesellschaft im Bundesrat unter anderem wegen der dortigen Verstöße gegen die Menschenrechte von queeren Menschen – zu Recht, wie spätere EuGH Rechtsprechung zeigte, nach der keine Ausnahmen bestimmter Personengruppen für eine Bestimmung als »sicher« nach aktuellem Recht möglich ist.

»Dieser notwendige demokratische, wissenschaftliche und öffentliche Diskurs wird bei einer Einstufung per Rechtsverordnung durch die Bundesregierung umgangen«

Auch wird im klassischen Gesetzgebungsverfahren mit einer Sachverständigenanhörung im Bundestag zumindest die Anhörung einschlägiger Expert*innen zu Herkunftsländern und Rechtsfragen garantiert. Dieser notwendige demokratische, wissenschaftliche und öffentliche Diskurs wird bei einer Einstufung per Rechtsverordnung durch die Bundesregierung umgangen. Dass dies auch das primäre Ziel des vorliegenden Gesetzesvorschlags ist, zeigt folgender Auszug aus der Rede von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt im Bundestag: »Wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder erlebt, dass die Festlegungen sicherer Herkunftsstaaten im Bundesrat blockiert worden sind.« Die Intention ist also eindeutig: Vermeintlich komplizierte politische Diskussionen sollen vermieden werden, um auf diese Weise mehr Länder als »sicher« einstufen zu können.

Problematische Vorlagepflicht beim Bundesverwaltungsgericht

Der Gesetzesvorschlag sieht zudem vor, dass ein Verwaltungsgericht sich an das Bundesverwaltungsgericht wenden muss, wenn es die Einstufung eines Landes als »sicher«, die per Rechtsverordnung erfolgt ist, für rechtswidrig hält. Eine solche Vorlagepflicht wäre neu und es ist zu befürchten, dass sich die Gerichtsverfahren dadurch verlängern. In bestimmten Fällen müsste das Bundesverwaltungsgericht zudem den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) anrufen, wenn es eine offene europarechtliche Frage gibt.

Nach der bereits eingeführten Tatsachenrevision wäre dies die zweite Regelung, bei der das Bundesverwaltungsgericht sich nicht nur mit Rechtsfragen, sondern auch mit den Bedingungen vor Ort in den Herkunftsländern befassen müsste. Insgesamt ist damit eine zusätzliche Belastung des Bundesverwaltungsgerichts zu erwarten. Schon jetzt waren Ende des Jahres 2024 beim obersten deutschen Verwaltungsgericht 547 Verfahren anhängig, ähnlich wie zu Beginn des Jahres. Beim Revisionsverfahren liegt die durchschnittliche Bearbeitungszeit bei 13 Monaten, beim Beschwerdeverfahren bei fünf Monaten.

Laut Gesetzentwurf soll die Kompetenz der gerichtlichen Überprüfung der tatsächlichen »Sicherheit« in den fraglichen Ländern dem Bundesveraltungsgericht übertragen werden, damit eine »Rechtszersplitterung« vermieden wird. Jedoch wird damit unterschätzt, dass das Bundesverwaltungsgericht jedes Mal neu entscheiden müsste, wenn es erhebliche Veränderungen in einem Herkunftsland gibt. Somit könnte es immer wieder zu erheblichen Verzögerungen in den Klageverfahren kommen, wenn eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abgewartet werden muss.

 

Fazit: Der Bundestag sollte das Gesetz ablehnen!

Die vorgesehene Einstufung »sicherer Herkunftsstaaten« per Rechtsverordnung in einer zu der nach dem Grundgesetz zusätzlichen Liste wäre also verfassungswidrig und verkompliziert die Asylverfahren zusätzlich. Zudem würde der notwendige demokratische Diskurs über die Einschränkung eines Grundrechts umgangen werden.

Im Übrigen würde die Regelung auch nur einige Monate lang greifen: Denn ab dem 12. Juni 2026 tritt die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylrechts (GEAS) in Kraft. Im derzeit ebenso im Bundestag diskutierten GEAS-Anpassungsgesetz wird vorgesehen, dass es ab dann zwar weiterhin eine eigene nationale Liste nach dem Europarecht geben soll, dann aber nach der Asylverfahrensverordnung.

Da sich die Regelungen in der Asylverfahrensrichtlinie und der Asylverfahrensverordnung aber auch inhaltlich unterscheiden, ist die aktuell diskutierte kurzfristige Einführung einer Liste nach der Asylverfahrensrichtlinie wohl vor allem politisch zu erklären. Die Asylverfahrensverordnung sieht im Übrigen auch eine EU-weite Liste »sicherer Herkunftsstaaten« vor, die EU-Kommission hat hierfür bereits einen Vorschlag gemacht. Damit würde es künftig dann sogar drei Listen geben: eine EU-Liste und zwei nationale Listen.

Aus all diesen Gründen fordert PRO ASYL den Bundestag auf, den Gesetzentwurf abzulehnen.

 

06.10.2025 Die Bundesregierung verfolgt den Plan, sichere Herkunftsländer künftig durch eine Rechtsverordnung schneller und einfacher und am Bundesrat vorbei zu bestimmen. Zu dem entsprechenden Gesetzentwurf hörte der Innenausschuss des Bundestages heute Expert*innen an.

Zu dem Vorhaben gabe es bereits sofort nach dem Kabinettsbeschluss Bedenken bzw. Protest. LTO schrieb am 4.06.2025:

Das Kabinett hat einen Gesetzentwurf beschlossen, um sichere Herkunftsländer künftig ohne Zustimmung des Bundesrates festlegen zu können. Ob das Manöver zulässig ist, bezweifelt ein verfassungsrechtliches Gutachten...  hier weiterlesen

Außerdem sieht der Gesetzentwurf auch eine Abschaffung der gerade erst ein Jahr geltenden Regelung vor, wonach Personen in Abschiebehaft stets einen Rechtsbeistand erhalten. 

Der Verein Pro Asyl sieht darin [in der Abschaffung] einen Bruch mit rechtstaatlichen Prinzipien. Wenn der Staat eine Person inhaftiere, müsse er auch die Möglichkeit sicherstellen, dies effektiv überprüfen zu lassen.

Der Gesetzesentwurf werde in den kommenden Monaten weiter im Bundestag beraten, berichtet das ZDF, dessen Beitrag hier folgt:

Die schwarz-rote Koalition will die Bestimmung sicherer Herkunftsländer beschleunigen. In einem Bundestagsausschuss haben Sachverständige die Pläne unterschiedlich bewertet.

Grenzkontrollen, Aussetzung des Familiennachzugs, Streichung der Turbo-Einbürgerung: Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat sich vorgenommen, beim Thema Asyl- und Migrationswende aufs Tempo zu drücken. Dazu gehören auch die Pläne, sichere Herkunftsstaaten künftig schneller und einfacher bestimmen zu können.

Im Innenausschuss des Bundestags wurden an diesem Montag Experten zu dem entsprechenden Gesetzentwurf angehört - und die haben sehr unterschiedliche Ansichten präsentiert. Einige sehen verfassungsrechtliche Risiken, andere begrüßen Entlastungen für die Gerichte.

Koalition plant Einstufung per Rechtsverordnung

Ist ein Staat als sicherer Herkunftsstaat eingestuft, führt das zu einem vereinfachten und damit auch häufig schnellerem Asylverfahren. Aus rechtlicher Sicht wird davon ausgegangen, dass in diesen Staaten unter normalen Umständen keine Verfolgung droht.

Sichere Herkunftsstaaten

In Deutschland gelten derzeit folgende Länder als sichere Herkunftsstaaten:

  • die Mitgliedstaaten der Europäischen Union
  • Albanien
  • Bosnien und Herzegowina
  • Georgien
  • Ghana
  • Kosovo
  • Nordmazedonien
  • Montenegro
  • Republik Moldau
  • Senegal
  • Serbien

Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Laut Asylgesetz sind demnach Anträge von Menschen aus diesen Ländern als offensichtlich unbegründet abzulehnen, außer die Personen können das Gegenteil beweisen.

Bislang hatte der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates darüber entschieden, welche Staaten als sicher gelten. Nach einem Gesetzentwurf der Bundesregierung soll künftig die Bundesregierung allein per Verordnung darüber entscheiden können. Zumindest bei Verfahren über die Anerkennung von Flüchtlingsschutz oder subsidiärem Schutz.

Verwaltungsrichter erwartet Entlastung der Gerichte

Das Innenministerium erhofft sich davon, schneller auf Flucht- und Migrationsbewegungen reagieren zu können. Theoretisch könnte es auch einfacher werden, den Kreis der Staaten deutlich zu erweitern. Das wiederum könnte Asylverfahren insgesamt beschleunigen.

Aus Sicht von Robert Seegmüller, Richter am Bundesverwaltungsgericht, bestehen gegen die Pläne keine verfassungsrechtlichen Bedenken. In der Anhörung des Bundestagsausschusses betonte er zudem, dass es ein staatliches Interesse gebe, die Asylverfahren zu beschleunigen. Derzeit seien Gerichte damit erheblich belastet.

"Die Bearbeitung asylgerichtlicher Verfahren bindet etwa die Hälfte der Verwaltungsrichter in Deutschland." Robert Seegmüller, Richter am Bundesverwaltungsgericht

Sobald ein Staat als sicheres Herkunftsland eingestuft sei, könnten Verwaltungsrichter mehr Fälle in der gleichen Zeit bearbeiten, so Seegmüller.

Menschenrechtsorganisationen äußern verfassungsrechtliche Bedenken

Vorsichtiger bei der Einschätzung waren dagegen mehrere Menschenrechtsorganisationen. Wiebke Judith vom Verein Pro Asyl führte aus, dass es aus ihrer Sicht verfassungswidrig sei, bei der Einstufung den Bundesrat nicht mehr einzubinden.

Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland warnte, die Erweiterung der Liste sicherer Herkunftsstaaten würde in der Praxis zu erheblichen Einschränkungen und Problemen führen.

Abschaffung von Pflichtanwälten in Abschiebehaft

Ähnlich kritisch sehen die Verbände auch eine weitere im Gesetzentwurf enthaltene Änderung. 2024 war eine Regelung in Kraft getreten, wonach Personen in Abschiebehaft stets einen Rechtsbeistand erhalten. Das soll nach den Plänen der Bundesregierung wieder abgeschafft werden.

Der Verein Pro Asyl sieht darin einen Bruch mit rechtstaatlichen Prinzipien. Wenn der Staat eine Person inhaftiere, müsse er auch die Möglichkeit sicherstellen, dies effektiv überprüfen zu lassen.

Der Gesetzesentwurf wird in den kommenden Monaten weiter im Bundestag beraten.