Überforderung bei Flüchtlingsaufnahme befürchtet - Angst vor neuem "2015"?

11.10.2022 aktualisiert durch eine Meldung der Tagesschau heute:

Flüchtlingsgipfel Faeser will Kommunen mit Immobilien helfen

Stand: 11.10.2022 11:22 Uhr Bundesinnenministerin Faeser hat den Kommunen zur Bewältigung der Flüchtlingslage mehr Geld und Immobilien in Aussicht gestellt. Die Bundesländer kritisieren offene Fragen bei der Finanzierung und weitere Aufnahmeprogramme für Migranten.

Der Bund möchte Kommunen bei der Versorgung von Geflüchteten vor allem aus der Ukraine auch mit Bundesimmobilien unterstützen. Das sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser vor dem geplanten Flüchtlingsgipfel im ARD-Morgenmagazin. Zu solchen Immobilien gehörten beispielsweise Kasernen. Der Umgang mit Geflüchteten sei eine Gemeinschaftsaufgabe und eine "gemeinsame Kraftanstrengung", bei der jeder seinen Beitrag leisten müsse. Gleichwohl trügen die Städte und Gemeinden die Hauptlast und müssten daher unterstützt werden. Sie wolle regelmäßig über die Lage informieren, um den Kommunen mehr Planbarkeit zu geben...

Weitere Stimmen in dieser Meldung:

Städte- und Gemeindebund warnt vor angespannter Lage Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, bezeichnete die Lage im Deutschlandfunk als angespannt. Insgesamt laufe die Hilfe zwar deutlich besser als 2015, sagte er. Viele Kommunen seien aber wieder dazu gezwungen, Turnhallen und andere Räume bereit zu stellen, weil die Plätze in den Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder nicht ausreichten. Landsberg forderte die Bundesregierung auf, dort zusätzliche Kapazitäten zu schaffen.

Migrationsbeauftragte: "Nach wie vor große Solidarität" Die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, forderte Vorbereitungen auf mögliche neue Fluchtbewegungen aus der Ukraine. Zurzeit seien die Zahlen der neu ankommenden Geflüchteten aus der Ukraine mit rund 150 pro Tag zwar weiter rückläufig, "aber ein harter Kriegswinter kann das ändern", sagte Alabali-Radovan dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Vor dem Flüchtlingsgipfel nannte die SPD-Politikerin die Aufnahme und Unterbringung Geflüchteter "eine große gemeinsame Kraftanstrengung von Bund, Ländern und Kommunen". 

Es gebe "in Deutschland nach wie vor eine große Solidarität" gegenüber Geflüchteten aus der Ukraine, sagte sie. Gleichzeitig warnte sie: "Es gibt immer wieder unsägliche Kampagnen gegen Geflüchtete, auch aus russischen Propaganda-Schleudern. Dem müssen wir entschieden entgegentreten."

Bei den Beratungen soll es um die bundesweite Steuerung und Verteilung sowie die Unterbringung gehen. Neben dem Deutschen Städtetag sollen an dem Treffen auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund, der Deutsche Landkreistag, der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius als Vertreter der SPD-geführten Länder und der hessische Innenminister Beuth als Vertreter der unionsgeführten Länder teilnehmen.

 

Unser Beitrag vom 07.10.2022:

Die Nachrichten mehren sich: Kommunen überfordert - Unterbringungskapazitäten erschöpft. Migrationsforscher Knaus befürchtet „historischen Fluchtwinter“. Eine Zusammenstellung von Veröffentlichungen zum Thema:

mdr am 05. Oktober 2022:

Keine Unterkünfte mehr Immer mehr Städte erlassen Aufnahmestopp für Geflüchtete

Über eine Millionen Menschen aus der Ukraine sind bereits nach Deutschland geflohen. Immer mehr Kommunen in Mitteldeutschland stoßen an die Grenze ihrer Kapazitäten: Nach Dresden haben auch die Städte Magdeburg, Gera und Halle angekündigt, keine weiteren Geflüchteten aus der Ukraine mehr aufzunehmen. Auch Erfurt und Chemnitz können kaum noch Geflüchtete aufnehmen....

ndr am 07. Oktober 2022

Hamburg stößt bei Flüchtlingsunterbringung an seine Grenzen

Zelte, Bürogebäude und Gewerbehallen: In Hamburg wird derzeit jede Unterkunft für Geflüchtete gebraucht. Die Sozialbehörde rechnet damit, dass bis Ende dieses Jahres etwa 50.000 Schutzsuchende in öffentlichen Unterkünften der Stadt leben....

Die Tagesthemen gingen am 6.Oktober mit einem Beitrag ("Steigende Flüchtlingszahlen: Kommunen stoßen bei der Versorgung an ihre Grenzen")und einem Kommentar ausführlich auf die aktuelle Lage ein Problematik ein.

Schutzsuchende Menschen aus der Ukraine sind in Europa zu ungleich verteilt, kritisiert der Migrationsexperte Gerald Knaus. Das könne im Winter zum echten Problem werden, wenn sich die Lage in der Ukraine weiter zuspitze:

br am 2. Oktober

Migrationsforscher befürchtet "historischen Fluchtwinter"

Der Migrationsforscher Gerald Knaus rechnet wegen des Ukraine-Krieges mit einem massiven Anstieg der Flüchtlingszahlen in den kommenden Monaten. Sollte die Versorgung mit Wärme und Strom einbrechen, stünde uns ein "historischer Fluchtwinter" bevor.

Angesichts des Krieges in der Ukraine warnt der Migrationsforscher Gerald Knaus vor einem Ausnahmezustand im Winter. Für die kommenden Monate sei mit einem massiven Anstieg der Flüchtlingszahlen zu rechnen.

Europa stehe vor einem historischen Fluchtwinter, sollte die Lage in der Ukraine sich weiter zuspitzen und die Versorgung mit Wärme und Strom nicht funktionieren, "weil der russische Angriffskrieg etwa Kraftwerke zerstört oder Massenvernichtungswaffen einsetzt", sagte Knaus den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Darauf wäre die EU jetzt nicht vorbereitet."

Mehr europäische Solidarität gefordert

Knaus fordert angesichts von mehr als sieben Millionen Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine "mehr europäische Solidarität". Noch immer seien die Schutzsuchenden aus der Ukraine "sehr ungleich in Europa verteilt". "Länder wie Tschechien und Polen tragen die Hauptlast, Staaten wie Frankreich haben einen Bruchteil der Kriegsflüchtlinge aufgenommen", kritisiert Knaus. Der in Berlin lebende österreichische Soziologe ist Vorsitzender und Mitgründer der Denkfabrik "European Stability Initiative" (ESI).

Städte und Gemeinden müssen sich besser vernetzen

Solidarität sei aber nicht nur zwischen den Staaten nötig, auch Großstädte und Gemeinden müssten ein Netzwerk aufbauen, in dem die Aufnahme der Geflüchteten auch in Frankreich oder Italien gelinge. "Private Helfer haben vorgemacht, wie es geht: mit Transparenz, Informationspolitik und Solidarität", sagt Knaus. "Nur so ist diese historische Aufnahmeleistung von Flüchtlingen aus der Ukraine über den Winter zu stemmen."

Daten und Fakten zu ukrainischen Geflüchteten

Wie der "Mediendienst Integration" berichtet, wurden zwischen Ende Februar und dem 24. September 2022 dem Bundesinnenministerium (BMI) zufolge 997.895 Geflüchtete aus der Ukraine im Ausländerzentralregister (AZR) registriert. Davon hätten 530.562 vorübergehenden Schutz nach Paragraph 24 des Aufenthaltsgesetzes erhalten. Wie viele Personen genau Deutschland erreicht beziehungsweise verlassen haben, lasse sich laut dem Mediendienst Integration nicht mit Sicherheit feststellen. Ukrainische Staatsbürger können ohne Visum in die Europäische Union einreisen und sich in EU-Mitgliedstaaten des Schengen-Raums frei bewegen.

Knapp 97 Prozent von den im AZR registrieren Geflüchteten sind ukrainische Staatsbürgerinnen (Stand: 24. September). 64 Prozent der Kriegsflüchtlinge sind Frauen und Mädchen, rund 35 Prozent Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, darunter sind die meisten im Grundschulalter. Einer Befragung des BMI von April 2022 unter rund 2.000 Geflüchteten zufolge lag das Durchschnittsalter der Kriegsflüchtlinge bei 38 Jahren. 92 Prozent der volljährigen Befragten waren in der Ukraine berufstätig oder in der Ausbildung.

 

Nicht nur Deutschland ist ungenügend eingestellt auf die erneute Anforderung für Flüchtlingsaufnahme. rnd berichtete am 6.10.2022:

Wegen Sparmaßnahmen bei der Einwanderungsbehörde

Gericht: Unterbringung Asylsuchender in Niederlanden menschenunwürdig

Einem Gerichtsurteil zufolge sind Notunterkünfte für Asylsuchende in den Niederlanden nicht menschenwürdig. Die Behörden müssen dem Urteil zufolge umgehend für Zugang zu Trinkwasser, medizinische Versorgung und ausreichend Essen sorgen.

Den Haag. Notunterkünfte für Asylsuchende in den Niederlanden sind einem Gerichtsurteil zufolge nicht menschenwürdig. Der Staat und seine Asylbehörde erfüllten bei der Versorgung und Unterbringung nicht die europäischen Normen, erklärte ein Gericht in Den Haag am Donnerstag. Die Behörden müssen dem Urteil zufolge umgehend für Zugang zu Trinkwasser, medizinische Versorgung und ausreichend Essen sorgen. Auch dürfen Kinder, Kranke oder Hochschwangere nicht mehr in Notunterkünften untergebracht werden.

Regierung hatte mehr Mittel und mehr Wohnungen für Asylsuchende versprochen

Das Gericht gab damit einer Klage des Flüchtlingshilfswerks statt. Als Folge staatlicher Sparmaßnahmen müssten seit fast einem Jahr tausende Flüchtlinge unter „unmenschlichen Umständen“ in Zelten oder Sporthallen leben, hatte das Flüchtlingswerk geklagt. Hunderte von Asylsuchenden waren zusätzlich wochenlang unter erbärmlichen Umständen außerhalb des völlig überfüllten nationalen Asylzentrums beim Dorf Ter Apel an der Grenze zu Niedersachsen untergekommen - ohne saubere Toiletten, Betten und Regenschutz.