Verschärfte Grenzkontrollen: Anhaltende Kritik von Nachbarländern

08.05.2025 Mehrere Medien setzen sich mit den begonnenen verschärften Grenzkontrollen auseinander. Aktualisiert 10.05.2025: In der Folgezeit zeigt sich, dass die Ankündigungen und Maßnahmen umstrittener sind, als es nach dem Koalitionsvertrag schien. Während CDU/CSU Entschlossenheit zeigen will, das Wahlversprechen einzulösen und die Koalition ein einheitliches Bild abgeben zu lassen, gibt es sofort Streit mit der SPD über die Lesart der Vereinbarungen.

... es gibt unterschiedliche Ansichten darüber, welche Maßnahmen an den deutschen Grenzen zulässig sind

"Pauschale Zurückweisungen bei Asylgesuchen an den Grenzen sind mit geltendem europäischen Recht nicht vereinbar", sagte SPD-Fraktionsvize Sonja Eichwede der Rheinischen Post. "Statt einseitig mit schärferen Maßnahmen vorzupreschen, braucht es eine enge Abstimmung mit unseren europäischen Partnern", sagte sie...

...Im Zuge der schärferen Grenzkontrollen gab es bereits erste Zurückweisungen. Es handele sich um vier afghanische Staatsangehörige...

Wir zitieren:

An den deutschen Grenzen wird wegen irregulärer Migration schärfer kontrolliert. Kanzler Merz wiegelt ab, die Kontrollen seien "wie bei der EM". Doch damals gab es anders als heute keine Zurückweisungen. Die SPD ist unzufrieden.

Zusätzliche Grenzkontrollen und Zurückweisungen von Asylbewerbern - das hat die neue Bundesregierung angekündigt. So will sie gegen irreguläre Migration vorgehen. Nach einer Anweisung des neuen Bundesinnenministers Alexander Dobrindt (CSU) zu schärferen Regeln an den deutschen Grenzen laufen verstärkte Kontrollen. Wie genau die aussehen, dazu gibt es verschiedene Lesarten.

Während Bundeskanzler Friedrich Merz in Brüssel von Kontrollen "wie bei der Fußball-Europameisterschaft" sprach, äußern sich Vertreter der Polizei drastischer: "Unsere Kollegen werden jeden Asyl- und Schutzersuchenden zurückweisen, außer Schwangere, Kranke, unbegleitete Minderjährige", sagte der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Andreas Roßkopf, der Bild-Zeitung. Die Weisung von Dobrindt sei "für die Beamten an der Grenze bindend".

Polizei widerspricht dem Kanzler

Auch Heiko Teggatz von der Gewerkschaft DPolG bestätigte gegenüber der Zeitung, dass die Beamten ab jetzt alle Flüchtlinge, mit Ausnahme von besonders verwundbaren Personen, ins Nachbarland zurückschickten. Die Anordnung aus dem Innenministerium "schreibt Zurückweisungen zwingend vor", sagte Teggatz. "Die Bundespolizei kann so verfahren, bis möglicherweise ein Gericht etwas anderes entscheidet."

Damit widersprechen die Polizei-Gewerkschaftler dem Kanzler. Denn ein Blick zurück in den Sommer 2024 verrät: Bei den Kontrollen zur EM ging es darum, die Sicherheit während der Europameisterschaft zu gewährleisten. Dabei hatte die Bundespolizei aber keine Asylsuchenden zurückgewiesen, weil diese Praxis nach Ansicht der damaligen Bundesregierung gegen EU-Recht verstoßen hätte. 

Streitthema in der Koalition

Für die Koalition aus Union und SPD ist das Thema ein Problem, denn es gibt unterschiedliche Ansichten darüber, welche Maßnahmen an den deutschen Grenzen zulässig sind. Während die Union für eine harte Linie mit Zurückweisungen von Asylbewerbern wirbt, argumentiert die SPD, diese seien nicht zulässig. "Pauschale Zurückweisungen bei Asylgesuchen an den Grenzen sind mit geltendem europäischen Recht nicht vereinbar", sagte SPD-Fraktionsvize Sonja Eichwede der Rheinischen Post. "Statt einseitig mit schärferen Maßnahmen vorzupreschen, braucht es eine enge Abstimmung mit unseren europäischen Partnern", sagte sie.

Die Polizisten an der Grenze würden die komplizierte Rechtslage bei Zurückweisungen kennen, sagte Eichwede, die vor ihrem Einzug in den Bundestag als Richterin tätig war. Dobrindt habe auch keine ausdrückliche "Anweisung an die Bundespolizei" erteilt zurückzuweisen. "Ich gehe davon aus, dass die Beamten an den Grenzen es deshalb weiterhin nicht tun werden."

Innenminister Dobrindt hatte bei der Verkündung der Grenzkontrollen erklärt: Die rechtliche Grundlage für die Zurückweisungen sei das deutsche Asylgesetz "in Verbindung mit Art. 72 AEUV". Der Artikel 72 erlaubt es den Mitgliedsstaaten der EU unter bestimmten, besonderen Voraussetzungen die europäischen Regeln zu Asyl- und Migrationsfragen nicht mehr anzuwenden. Und zwar dann, wenn die "Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung" und der "Schutz der inneren Sicherheit" in dem Mitgliedsstaat andernfalls in Gefahr wären.

Bei seinem Antrittsbesuch am Freitag in Brüssel hatte Merz betont, die Zurückweisungen stünden im Einklang mit europäischem Recht. "Darüber sind auch unsere europäischen Nachbarn vollumfänglich informiert. Es gibt hier keinen deutschen Alleingang."

GdP: "Verantwortung beim Bundesinnenministerium"

Klar ist: Es gibt juristische Unsicherheiten, ob Zurückweisungen an der Grenze zulässig sind. Kommt es zu einer Klage, sieht GdP-Chef Roßkopf Innenminister Dobrindt am Zug. Die Verantwortung für die Maßnahmen liege "alleine beim Bundesinnenministerium", sagte er der Bild-Zeitung. Polizeibeamte dürften nicht belangt werden.

Im Zuge der schärferen Grenzkontrollen gab es bereits erste Zurückweisungen. Es handele sich um vier afghanische Staatsangehörige, die aus Luxemburg eingereist waren, teilte der Sprecher der Bundespolizei Trier, Stefan Döhn, mit. Die beiden Frauen und beiden Männer hätten zuvor bereits Asylgesuche in Griechenland gestellt. Die vier Personen seien am Hauptbahnhof Trier bei der Kontrolle eines Reisebusses entdeckt worden. Sie seien in Absprache mit der Polizei in Luxemburg zurückgewiesen worden, sagte Döhn. 

Die Zahl der Erstanträge auf Asyl in Deutschland war zuletzt stark gesunken. 36.000 Anträge waren es im ersten Quartal, 30.000 weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

 

Die Bundesregierung verschärft die Grenzkontrollen. Innenminister Dobrindt setzt damit seinen harten Asylkurs um und stößt auf Kritik aus dem Ausland.

Die Bundesregierung lässt ihren Worten Taten folgen. Nach den Ankündigungen, „ab Tag eins“ einen härteren Asylkurs zu fahren, hat Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) am Mittwoch bekanntgegeben, an den deutschen Grenzen stärker zurückzuweisen. Und zwar auch Asylsuchende, die in anderen EU-Ländern bereits Anträge gestellt haben. Bei Deutschlands Nachbarn stößt der Grenz-Vorstoß der Merz-Regierung auf gemischte Gefühle. Der Tenor: Eindämmung der Migration finden wir gut, Zurückweisungen sind auch okay – aber bitte nicht bei uns.

Grenzkontrollen nach Dobrindts Migrations-Vorstoß: „Macht auf lange Sicht einfach keinen Sinn“

Bei Friedrich Merz‘ Antrittsbesuch in Warschau sagte Polens Ministerpräsident Donald Tusk am Mittwoch in Richtung des neuen Kanzlers: „Deutschland wird in sein Gebiet lassen, wen es will. Polen wird nur in sein Gebiet lassen, wen es akzeptiert.“ Man müsse die illegale Migration eindämmen. Aber es solle weder der Eindruck entstehen noch die Fakten geschaffen werden, dass irgendwer einschließlich Deutschlands bestimmte Gruppen von Migranten nach Polen schicke.

Tusk kritisierte vor allem die aus Dobrindts Plan resultierenden Grenzkontrollen. Das werde zu langen Staus führen, hieß es in Warschau – inklusive einer Ankündigung zur Gegenreaktion: „Wenn jemand eine Kontrolle an der polnischen Grenze einführt, wird Polen auch eine solche Kontrolle einführen. Und das macht auf lange Sicht einfach keinen Sinn“, so Tusk. Ähnlich äußerte sich Luxemburgs Innenminister Leon Gloden. „Es muss vermieden werden, dass in den Köpfen der Menschen wieder Grenzen geschaffen werden. Schengen muss leben.“

Schweiz zu Merz‘ Asyl-Plan: „Systematische Zurückweisungen verstoßen gegen geltendes Recht“

Die Schweiz argumentierte mit rechtlichen Hürden. „Systematische Zurückweisungen an der Grenze verstoßen aus Sicht der Schweiz gegen geltendes Recht“, erklärte das Schweizer Justizministerium. „Die Schweiz bedauert, dass Deutschland diese Maßnahme ohne Absprache getroffen hat.“ Die Behörden „prüfen gegebenenfalls Maßnahmen“. 

Auf die Einhaltung von EU-Recht pocht auch Österreich. „Wir gehen davon aus, dass sich deutsche Behörden bei allen Maßnahmen, die gesetzt werden, an die europäische Rechtsordnung hält“, erklärte das österreichische Innenministerium auf Anfrage des Münchner Merkur.

 

Bundesinnenminister Dobrindt hat die Zurückweisung aller Migranten ohne Papiere angeordnet. Ausgenommen sind nur sogenannte "vulnerable Gruppen". Die Bundespolizei muss das ab heute umsetzen. Bayerns Nachbarländern gefällt das Vorgehen nicht.

Einen Tag, nachdem der neue Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) die Zurückweisung von Asylsuchenden angeordnet hat, scheint am Grenzübergang Kiefersfelden alles wie gehabt. Die Bundespolizei kontrolliert hier schon länger intensiv. Für Anwohner und Reisende nichts Neues also.

Rainer Scharf von der Bundespolizeiinspektion Rosenheim betont, dass die intensivierten Grenzkontrollen "zeitlich und örtlich flexibel" stattfinden und die kontrollierenden Beamten nicht unbedingt Uniform tragen. "Man kann also nicht ausrechnen, wo gerade wie viele Beamte vor Ort sind."

Schutzersuchen hinfällig

Dass sich bei den Grenzkontrollen etwas verändert hat, bekamen heute schon ein Syrer und ein Palästinenser auf der A93 zu spüren. Beide waren Passagiere in einem Fernreisebus. Vor der Anordnung des Bundesinnenministeriums wäre geprüft worden, ob sie möglicherweise Anspruch auf Asyl in Deutschland haben. Neue Praxis ab heute: Die Polizei nimmt beide mit, erstattet Anzeige wegen unerlaubter Einreise und setzt die Männer in den nächsten Zug nach Kufstein in Tirol.

Ausgenommen von unmittelbaren Zurückweisungen sind "vulnerable Gruppen" wie Schwangere und Kleinkinder. Sie würden weiter an Erstaufnahmeeinrichtungen weitergeleitet, so ein Sprecher der Bundespolizei.

Kritik aus den Nachbarländern

Was ab diesem Zeitpunkt mit ihnen geschieht, ist völlig unklar. Vergangenen Herbst kündigte Österreichs Innenministerium bereits an, keine Personen zurückzunehmen, die an der deutschen Grenze abgewiesen werden.

Insgesamt sind Deutschlands Nachbarstaaten wenig erfreut über die Maßnahmen der neuen Bundesregierung. Das Justizministerium der Schweiz teilt via X mit, dass die Zurückweisungen aus Schweizerischer Sicht illegal seien. Außerdem bedauere der Alpenstaat, "dass Deutschland diese Maßnahmen ohne Absprache getroffen hat".

 

Kaum im Amt kündigt Bundesinnenminister Alexander Dobrindt mehr Kontrollen an den Grenzen an. Zurückgewiesen werden sollen auch Asylsuchende - Polen kritisiert das...