14.02.2025 Wir zitieren aus den News von Pro Asyl:
Geplant waren ein Paradigmenwechsel und ein Neustart in der Asyl- und Migrationspolitik, der Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung ließ hoffen. Doch die Regierungszeit endete mit Abschiebungen und Asylrechtsverschärfungen, nur wenige Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag wurden Wirklichkeit. Eine Bilanz.
»Wir wollen einen Neuanfang in der Migrations- und Integrationspolitik gestalten, der einem modernen Einwanderungsland gerecht wird. Dafür brauchen wir einen Paradigmenwechsel: Mit einer aktiven und ordnenden Politik wollen wir Migration vorausschauend und realistisch gestalten.« Seite 110, Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung.
Mit diesen vielversprechenden Worten überschrieb die neue Ampel-Regierung das Kapitel »Integration, Migration, Flucht« ihres Koalitionsvertrags, den die Spitzen von CDU, Grünen und FDP am 7. Dezember 2021 unterschrieben. Heute erscheinen diese Sätze des progressiven Vertrags, als kämen sie aus einer anderen Welt.
Ohne Zweifel hatte die Ampel einen schwierigen Start: Kaum war der Koalitionsvertrag unterschrieben, Olaf Scholz zum Bundeskanzler gewählt, die Minister*innen vereidigt und die Weihnachtspause vorbei, da überfiel Russland am 24. Februar 2022 die Ukraine. Millionen von Ukrainer*innen flohen, allein eine Million nach Deutschland. Hinzu kamen nach dem Angriff auf die Ukraine wirtschafts‑, sicherheits- und energiepolitische Herausforderungen und geopolitische Verschiebungen, die zuvor so nicht abzusehen waren. Das alles passierte auch vor dem Hintergrund, dass kurz vor der Bundestagswahl die Taliban in Afghanistan die Macht übernommen hatten.
Obwohl diese weltpolitischen Ereignisse zeigen, wie wichtig eine gute, vorausschauende und durchdachte Asyl- und Migrationspolitik wäre, die sich an Rechtsstaatlichkeit und internationalen Vereinbarungen orientiert, ließ die Ampel-Regierung sich dahin treiben, ihre richtigen Ansätze nach und nach aufzugeben: Aufzugeben für eine restriktive Politik, die auf Abschreckung und Diskriminierung setzt und immer wieder droht, Gesetze, die Verfassung, internationale Konventionen und andere Werte und Grundlagen der Politik zu verletzen.
Manifest wurde diese 180-Grad-Wende zum Beispiel mit der Zustimmung zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) im Mai 2024: ein historischer Tiefpunkt der EU, mit dem künftig selbst Kinder in Grenzverfahren an den Außengrenzen in Haft genommen werden können.
So ist die Ampel als progressives Regierungsbündnis angetreten und brachte mit dem Chancenaufenthaltsrecht und einer erleichterten Einbürgerung ein paar Verbesserungen auf den Weg. Doch am (vorzeitigen) Ende ihrer Regierungszeit steht eine bittere Bilanz zum Flüchtlingsschutz: Wichtige und fortschrittliche Pläne aus dem Koalitionsvertrag wie Familien- und Geschwisternachzug sowie die Abschaffung von Duldung light und Arbeitsverboten wurden nicht umgesetzt, stattdessen wurde viel Zeit und Energie in Verschärfungen gesteckt – oft getrieben von den immer radikaler werdenden rechtsextremen Wortmeldungen.
Statt nachhaltige Lösungen für Integration und faire Asylverfahren zu schaffen, wurden Abschiebungen als vermeintliche Lösung präsentiert. Das löste aber strukturelle Probleme wie Rassismus, fehlender bezahlbarer Wohnraum und mangelnde psychosoziale Unterstützung (vor allem für Geflüchtete) überhaupt nicht. Hinzu kamen die öffentlich ausgetragenen Streitigkeiten. Letztlich führte dieser Dauerstreit zum frühzeitigen Koalitionsbruch im November 2024 und Neuwahlen am 23. Februar 2025.
NEWS
Zum Ende der Legislatur gab es noch eine weitere geopolitische Überraschung: Anfang Dezember 2024 wurde in Syrien das Assad-Regime gestürzt. Selbst dieses erfreuliche Ereignis wurde sofort für eine Debatte über Rückkehr und mögliche Schutzstatus-Widerrufe genutzt. Der genau drei Jahre zuvor unterzeichnete Koalitionsvertrag hätte auf einen anderen Geist hoffen lassen.
In dieser Übersicht untersucht PRO ASYL, was aus den für Asyl und Migration relevanten Passagen des Koalitionsvertrags geworden ist, und geht auf die wichtigsten Gesetze der Ampel-Regierung zu Asyl und Migration ein:
- Gesetz zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts (Inkrafttreten 31. Dezember 2022)
- Gesetz zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren (Inkrafttreten 1. Januar 2023)
- Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung (sukzessives Inkrafttreten 18. November 2023, 1. März 2024, 1. Juni 2024)
- Gesetz zur Bestimmung Georgiens und der Republik Moldau als sichere Herkunftsstaaten (Inkrafttreten 20. Dezember 2023)
- Gesetz zur Verbesserung der Rückführung (Inkrafttreten 27. Februar 2024)
- Gesetz zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts (Inkrafttreten 27. Juni 2024)
- Gesetz zur Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems (Inkrafttreten 31. Oktober 2024)
Anschließend in den News 12 Punkte der Migrationspolitik mit ausführlicher Fakten-Begründung s. Pro Asyl