15.10.2024 Mit Blick auf das Ende dieser Woche stattfindende Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs häufen sich Nachrichten zu Erwartungen, Forderungen und Maßnahmen einzelner Staaten. Dazu gehören auch Faesers Gesetzentwürfe zur Umsetzung der europäischen Asylreform, die unter anderem schnellere Abschiebungen für abgelehnte Asylbewerber bei Sicherheitsrisiken vorsehen (so der zitierte Sprachgebrauch). Wir zitieren chronologisch:
aktualisiert 15.10.2024: Wie der Stern berichtet, wird die EU-Kommission einen neuen Gesetzentwurf zur Rückführung illegal eingereister Migranten vorlegen.
Brüssel will einen neuen Gesetzentwurf zur Rückführung illegal eingereister Migranten vorlegen. Dies kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in einem am Montagabend veröffentlichten Brief an die 27 Mitgliedstaaten an. Der Vorschlag der EU-Kommission werde "klare Kooperationsverpflichtungen für rückgeführte Personen" enthalten und habe die Absicht, "den Rückführungsprozess wirksam zu straffen".
"Aber wir brauchen einen neuen Rechtsrahmen, um unsere Handlungsfähigkeit zu verbessern", fügte von der Leyen in dem Brief hinzu. Die Länder müssten "eine Ebene der Harmonisierung und des Vertrauens" aufbauen, so dass ein jeder Mitgliedsstaat die Entscheidung des anderen anerkenne. Dies würde sicherstellen, dass "Migranten, gegen die in einem Land eine Rückführungsentscheidung ergangen ist, keine Lücken im System ausnutzen können, um eine Rückführung in einem anderen Land zu vermeiden".
Die EU-Mitgliedsländer hatten sich erst im Frühjahr mühsam auf eine Reform des Gemeinsamen europäischen Asylsystems (Geas) geeinigt, die unter anderem verschärfte Abschieberegeln vorsieht. Seither forderten unter anderem die Niederlande und Ungarn, von den gemeinsamen Asylregeln ausgenommen zu werden. Solche Opt-outs erfordern jedoch eine EU-Vertragsänderung, der alle Mitgliedsländer zustimmen müssen.
Die im Frühjahr vereinbarte Geas-Reform soll ab Juni 2026 gelten. Dadurch sollen unter anderem erstmals schnellere Asylverfahren direkt an den EU-Außengrenzen möglich werden. Führende Migrationsexperten halten Geas hinsichtlich von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten für problematisch.
Am Samstag hatte der polnische Regierungschef Donald Tusk zudem angekündigt, das Asylrecht teilweise aussetzen zu wollen. Er warf Russland und dem Nachbarland Belarus vor, gezielt Migranten über die polnischen Grenze zu schleusen und so die EU destabilisieren zu wollen. "Die Art und Weise, wie dieses Recht auf Asyl genutzt wird, widerspricht genau dem Wesen des Rechts auf Asyl", erklärte Tusk.
Brüssel sei "im Kontakt mit den polnischen Behörden", sagte eine Kommissionssprecherin am Montag in Brüssel. Sie betonte jedoch, als EU-Mitglied habe Polen "die Verpflichtung, den Zugang zum Asylverfahren sicherzustellen". Brüssel schloss sich den Vorwürfen an Russland und Belarus allerdings an.
Polen und Tschechien wollen die Migration auf die Tagesordnung beim Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs Ende der Woche in Brüssel setzen. Beide Länder fordern ein härteres Vorgehen und schnellere Abschiebungen an den EU-Außengrenzen. Zugleich kritisieren sie Grenzkontrollen innerhalb der EU, wie Deutschland sie zuletzt wieder eingeführt hatte.
aktualisiert 13.10.2024 In Luxemburg angekündigt, jetzt als Gesetzentwürfe auf den Tisch gelegt: Die eifrige Tätigkeit der deutschen Innenministerin, GEAS mit Hochdruck umzusetzen. Dazu Berichte über Details und Reaktionen von Tagesspiegel und Zeit.
Gleichzeitig wurde bekannt, dass auch Polens Regierungschef Tusk vor dem Gipfeltreffen Zeichen setzt: "Um Migranten aus Belarus fernzuhalten, plane die polnische Regierung eine temporäre Aussetzung des Rechts auf Asyl. Das verkündete Premierminister Donald Tusk in Warschau – und formulierte eine Warnung an Europa." ... »Wir werden die illegale Migration nach Polen auf ein Minimum reduzieren«, versprach Tusk... (Spiegel: Polen will Recht auf Asyl »zeitweise« aussetzen - siehe dazu unseren Beitrag
- Meldung Tagesspiegel 12.10.2024: Schnellere Abschiebungen geplant: Faeser stellt Gesetzesentwürfe zur Umsetzung der EU-Asylreform vor
Die Bundesregierung plant strengere Regeln in der Migrationspolitik. Innenministerin Faeser setzt auf eine schnelle Umsetzung der europäischen Asylreform und des Sicherheitspakets der Ampel.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat Gesetzentwürfe zur Umsetzung der europäischen Asylreform präsentiert, die unter anderem schnellere Abschiebungen für abgelehnte Asylbewerber bei Sicherheitsrisiken vorsehen.
Zuvor hatten sich zudem die Ampelfraktionen im Bundestag auf ein Sicherheitspaket geeinigt, das nach dem Terroranschlag von Solingen die Befugnisse der Sicherheitsbehörden erweitern soll. Beide Gesetzesvorhaben zielen auf eine Stärkung der inneren Sicherheit und einen effizienteren Umgang mit Migration ab.
Faeser betonte, dass sie das neue gemeinsame europäische Asylsystem mit Hochdruck umsetzen wolle. „Die europäischen Gesetze sind bereits beschlossen, das deutsche Recht passen wir jetzt an“, sagte Faeser. Es sei ein wichtiges Signal in Europa, dass Deutschland das neue Recht schnell und umfassend umsetze.
Den Gesetzentwürfen zufolge soll unter anderem die Rückführung abgelehnter Asylbewerber beschleunigt werden. So soll in Fällen, in denen Sicherheits- oder Ordnungsrisiken bestehen, keine Frist zur freiwilligen Ausreise gesetzt werden. Stattdessen soll eine sofortige Abschiebung erfolgen.
Harter Umgang mit Asylbewerbern aus sicheren Herkunftsländern
Die europäische Asylreform war nach jahrelangem Streit im Mai beschlossen worden. Sie regelt die Verteilung der Schutzsuchenden auf die EU-Staaten mit einem „Solidaritätsmechanismus“ neu.
Außerdem sieht sie schnelle Asylverfahren an den Außengrenzen und einen deutlich härteren Umgang mit Menschen aus Ländern vor, die als relativ sicher gelten. Abgelehnte Asylbewerber sollen demnach unter bestimmten Bedingungen auch in Nicht-EU-Länder – sogenannte Drittstaaten – abgeschoben werden.
Migration ist auch ein zentraler Bestandteil des zuvor vereinbarten Sicherheitspakets der drei Ampelfraktionen im Bundestag. Die Koalition hatte es nach dem islamistischen Terroranschlag von Solingen mit drei Toten im August auf den Weg gebracht.
„Wir werden die Befugnisse der Sicherheitsbehörden moderat erweitern, dabei die Grundrechte achten“, sagte FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle. Man werde Ordnung und Kontrolle bei der Migration verstärken. Zudem seien Maßnahmen im Bereich des Waffenrechts vorgesehen, „um sich um die wachsende Messerkriminalität in Deutschland zu kümmern“.
Heimaturlauber sollen Schutzstatus leichter verlieren können
Kuhle hob hervor: „Das Wichtigste an diesem Paket ist, dass die Fehlanreize im Bereich der Migration endlich reduziert werden.“ In diesem Punkt bleibe es bei der Einigung der Bundesregierung. Diese sehe im Regelfall die Streichung von Leistungen für Menschen vor, für deren Asylverfahren nach den sogenannten Dublin-Regeln ein anderer europäischer Staat zuständig sei. In solchen Fällen müssten die Betroffenen schneller abgeschoben werden.
Das Wichtigste an diesem Paket ist, dass die Fehlanreize im Bereich der Migration endlich reduziert werden. FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle
Dem FDP-Politiker zufolge bleibt es auch dabei, dass Menschen ihren Schutzstatus in Deutschland einfacher verlieren könnten, wenn sie in ihr Heimatland reisten. „Beides ist uns besonders wichtig, weil die Tat von Solingen gezeigt hat: Ordnung und Kontrolle in der Migrationspolitik und innere Sicherheit gehören zusammen“, sagte Kuhle.
CDU-Chef Friedrich Merz geht das nicht weit genug. Die Zurückweisungen an den Grenzen fehlten in dem Konzept völlig, kritisierte der gemeinsame Unions-Kanzlerkandidat am Samstag in einer Rede auf dem CSU-Parteitag in Augsburg. Man brauche Einwanderung für den Arbeitsmarkt, die Gesellschaft, das Land.
Man stelle aber auch eine überproportionale Kriminalität unter denen fest, die in den vergangenen zehn Jahren ins Land gekommen seien. Es gebe eine wachsende Zahl junger Männer ohne Fluchtgrund, die hier angekommen seien und hier die allergrößten Probleme machten. Menschen, die vor Krieg flüchteten, werde man aber weiter helfen, betonte Merz. (dpa)
Die Ampel will neue EU-Asylregeln offenbar vorzeitig umsetzen. Flughafenbetreiber sollen demnach Unterkünfte für Schutzsuchende im Transitbereich zur Verfügung stellen.
Asylentscheidungen an deutschen Flughäfen und Häfen sollen nach Plänen der Bundesregierung künftig innerhalb von acht Wochen fallen. Das geht aus Gesetzentwürfen des Bundesinnenministeriums hervor, aus denen der Spiegel zitiert und die dem Magazin zufolge nun innerhalb der Regierung abgestimmt werden sollen. Hintergrund ist die EU-Asylreform (GEAS), deren Regeln offiziell erst 2026 in Kraft treten sollen.
Dem Spiegel zufolge bat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die EU-Kommission, einen Teil der Reform in Deutschland bereits umsetzen zu können. Die Kommission soll inzwischen ihre Zustimmung signalisiert haben.
Beschließen soll das Bundeskabinett die Pläne dem Bericht zufolge noch in diesem Herbst. Kern der EU-Reform sind sogenannte Grenzverfahren, die an den EU-Außengrenzen laufen sollen – insbesondere für Menschen aus Ländern mit einer Schutzquote von weniger als 20 Prozent in Europa.
Länder sollen Unterbringungskosten tragen
In Deutschland geht es dabei um Regelungen für diejenigen, die mit dem Flugzeug oder Schiff ankommen. Die Betreiber von Flughäfen und Häfen sollen dem Bericht zufolge gesetzlich verpflichtet werden, Unterkünfte im Transitbereich oder anderswo auf dem Gelände bereitzustellen. Die Länder sollen die Kosten für Unterbringung und Versorgung tragen. Der Bund ist für die Verfahren zuständig.
Die Unterkünfte sollen nur bei einer positiven Asylentscheidung zur Einreise verlassen werden können. Die Rückkehr ins Herkunftsland soll aber möglich sein – "jederzeit", wie es laut Spiegel in den Entwürfen heißt. Bei einem negativen Entscheid würde sich ein sogenanntes "Rückkehrgrenzverfahren" anschließen – innerhalb von zwölf Wochen.
Womöglich Zehntausende Menschen betroffen
Auch im Grenzverfahren sollen Schutzanträge individuell geprüft werden, zitiert das Magazin aus den Entwürfen. Der Zugang zu Rechtsschutz bleibe ebenfalls erhalten. "Ausdrücklich vom Grenzverfahren ausgenommen sind unbegleitete Minderjährige, sofern sie keine Sicherheitsgefahr darstellen."
12.10.2024 Die Innenminister*innen der EU-Länder kamen in Luxemberg zusammen, um das Gipfeltreffen der Staatschefs / chefinnen in der kommenden Woche vorzubereiten. Auf der Tagesordnung stehen wieder und weiter Fragen der Migration bzw. des Asyls. Laut Pressebeobachtern geht es der Bundesregierung dabei um Vorziehen bzw. um Beschleunigung der Umsetzung der GEAS-Reform von April diesen Jahres. Außerdem wolle die Bundesregierung neben der "externen Dimension“ der Migration (Fernhalten von Schutzsuchenden durch von Auslagerung der Asylgesuche und - verfahren) stärkeres Augenmerk auf die "interne Dimension" ( Beachtung der Dublin-Regeln, faire Verteilung) gelegt wissen.
[Faeser stellte] die Grundzüge der neuen deutschen Asylpolitik vor. ... Deutschland geht voran – so lautete die Botschaft Faesers in Luxemburg. Sie wolle alles daransetzen, dass die im April beschlossene Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (Geas) „schnellstmöglich“ umgesetzt wird, sagte sie. Laut Plan tritt die Reform erst 2026 in Kraft, aber einige Staaten seien bereit, bestimmte Elemente vorzeitig in Kraft zu setzen, sagte Faeser. Die Ministerin nannte konkret die Schnellverfahren für Asylbewerber mit geringer Bleibechance. Sie sollen in Lagern an den Grenzen festgehalten und von dort schnell wieder abgeschoben werden. Einen Gesetzesentwurf zur Umsetzung in Deutschland wolle sie demnächst vorlegen, sagte Faeser. (SZ)
Immer mehr Regierungen in Europa plädieren .. dafür, Asylverfahren gänzlich aus Europa auszulagern. Diskutiert wird nach wie vor das „Ruanda-Modell“, also die Auslagerung nach Afrika. Auch der Plan der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni, Asylverfahren in Albanien durchzuführen, findet viele Anhänger. Neuerdings kursiert die Idee, abgelehnte Asylbewerber in „Abschiebelagern“ außerhalb Europas festzuhalten, bis sie von ihren Herkunftsländern aufgenommen werden. (SZ)
... auf dem Tisch dürften auch weitere Initiativen liegen, die bislang noch nicht europäische Beschlusslage sind. Da ist etwa das Verlangen von 15 Mitgliedsländern nach einer zügigen Novelle der EU-Rückführungsrichtlinie. Diese Vorschrift sei bereits sechs Jahre alt und bedürfe „dringend“ einer Überarbeitung. (RP)
Die Innenminister befassten sich auch mit einer weiteren Idee, von der sich die Staaten spürbare Veränderungen bei dem Versuch versprechen, den Migrationsdruck besser in den Griff zu bekommen: Rückkehrzentren außerhalb der EU. Damit scheint Italien mit der Bearbeitung der Anliegen von Mittelmeerflüchtlingen in Albanien erfolgversprechende Erfahrungen zu sammeln. Das Prinzip werde derzeit in ihrem Haus geprüft und in Kürze öffentlich bewertet, kündigte Faeser an. (RP)
Wir zitieren im Folgenen die Süddeutsche Zeitung und die Rheinsche Post / General-Anzeiger:
10. Oktober 2024 Die Innenministerin rügt Italien und Griechenland, weil sie Asylbewerber nicht zurücknehmen. Sie will aber auch vorangehen – mit Schnellverfahren in Deutschland.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser mühte sich erkenntlich um einen forschen Ton, als sie am Donnerstag in Luxemburg dem Rest Europas die Grundzüge der neuen deutschen Asylpolitik vorstellte. Es könne nicht sein, dass Deutschland alle Migranten aufnehme, die nach Europa kommen, sagte die SPD-Politikerin vor einem Treffen der Innenministerinnen und Innenminister.
Natürlich war das eine Übertreibung, denn Deutschland nimmt mit Abstand die meisten, aber nicht „alle“ Migranten auf. Faeser wollte so ihre Forderung untermauern, es brauche in Europa eine „faire Verteilung“. Offen kritisierte Faeser die Regierungen von Italien und Griechenland, weil sie Flüchtlinge nicht zurücknehmen würden, für deren Asylverfahren sie zuständig seien. Die Kontrollen an den deutschen Grenzen werde sie so lange anordnen, bis wieder Ordnung im europäischen Asylsystem herrsche, sagte die Ministerin.
Nancy Faeser trat gewissermaßen als Vorbotin von Olaf Scholz auf. Fragen der Migration werden nächste Woche das große Thema sein beim Gipfel der 27 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union in Brüssel. Und im Mittelpunkt wird der Kanzler stehen, verbunden mit der Frage: Was ist zu erwarten von der deutschen Asylpolitik nach dem Messer-Anschlag von Solingen?
Auch in Deutschland sollen Lager entstehen
Deutschland geht voran – so lautete die Botschaft Faesers in Luxemburg. Sie wolle alles daransetzen, dass die im April beschlossene Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (Geas) „schnellstmöglich“ umgesetzt wird, sagte sie. Laut Plan tritt die Reform erst 2026 in Kraft, aber einige Staaten seien bereit, bestimmte Elemente vorzeitig in Kraft zu setzen, sagte Faeser. Die Ministerin nannte konkret die Schnellverfahren für Asylbewerber mit geringer Bleibechance. Sie sollen in Lagern an den Grenzen festgehalten und von dort schnell wieder abgeschoben werden. Einen Gesetzesentwurf zur Umsetzung in Deutschland wolle sie demnächst vorlegen, sagte Faeser.
Ein Vorziehen der großen Asylreform dürfte auch Olaf Scholz beim Gipfel fordern. Dort soll in Sachen Migration eine Art Arbeitsauftrag für die neue EU-Kommission formuliert werden. Die deutsche Regierung sei, so heißt es in Brüssel, nicht zufrieden mit dem vorliegenden Entwurf der Abschlusserklärung: Darin sei zu viel davon die Rede, wie man Flüchtlinge von Europa fernhalten könne. In der EU nennt man das die „externe Dimension“ der Migration.
Olaf Scholz dürfte darauf beharren, dass auch die „interne Dimension“ erwähnt wird. Das bedeutet: Alle Staaten sollen sich an die Regeln für den Umgang mit Geflüchteten halten. Das betrifft vor allem das sogenannte Dublin-Verfahren. Es besagt, dass zuständig für ein Asylverfahren im Prinzip der Staat ist, in dem ein Geflüchteter erstmals europäischen Boden betritt, also vorwiegend Länder wie Italien und Griechenland.
Manche Regierungen wollen Asylverfahren in Afrika
Die dortigen Regierungen verweisen darauf, dieses in den Neunzigerjahren vereinbarte Prinzip gehe an den Realitäten vorbei. Ihre Länder seien von der Zahl der ankommenden Migranten überlastet. Deshalb lassen sie seit Jahren Geflüchtete weiterziehen, die in der Mehrzahl ohnehin nach Deutschland wollen. Diese „Sekundärmigration“ wurde jahrelang stillschweigend geduldet.
Die im April verabredete Asylrechtsreform verfolgt das Ziel, wieder für Ordnung zu sorgen: Durch die Schnellverfahren soll das Asylsystem entlastet werden, im Gegenzug sollen die Dublin-Regeln wieder respektiert werden. Allgemeiner Konsens bei der Verabschiedung der Reform war allerdings: Die Reform kann nur funktionieren, wenn die Zahl der nach Europa kommenden Migranten sinkt.
Immer mehr Regierungen in Europa plädieren deshalb dafür, Asylverfahren gänzlich aus Europa auszulagern. Diskutiert wird nach wie vor das „Ruanda-Modell“, also die Auslagerung nach Afrika. Auch der Plan der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni, Asylverfahren in Albanien durchzuführen, findet viele Anhänger. Neuerdings kursiert die Idee, abgelehnte Asylbewerber in „Abschiebelagern“ außerhalb Europas festzuhalten, bis sie von ihren Herkunftsländern aufgenommen werden.
In der Bundesregierung hält man solche Modelle schon deshalb für weitgehend illusorisch, weil es erkenntlich keine Partnerstaaten dafür gibt. Faeser signalisierte in Luxemburg dennoch Bereitschaft, sich mit solchen Ideen zumindest zu befassen. Sie verwies darauf, die Bundesregierung lasse die Zusammenarbeit mit Drittstaaten in Migrationsfragen derzeit rechtlich überprüfen. Sie ließ zudem die Bereitschaft erkennen, die europäischen Regeln möglicherweise zu reformieren. In der aktuellen Asylrechtsreform waren der Zusammenarbeit mit Drittstaaten auf Betreiben der Ampelregierung enge Grenzen gesetzt worden.
Als Zeichen eines deutschen Einlenkens in der europäischen Asylpolitik konnte man auch werten, dass Faeser vor der Sitzung in Luxemburg mit 16 weiteren Regierungen ein Arbeitspapier zur Frage der Abschiebungen unterschrieb. Solche „Non-Papers“ dienen in der europäischen Migrationspolitik meist dazu, die Debatten über Verschärfungen des Asylrechts voranzubringen. Die Ampelkoalition hatte sich bislang meist verweigert.
Die Kommission wird in dem am Donnerstag diskutierten Papier aufgefordert, eine Neufassung der Rückführungsrichtlinie auf den Weg zu bringen. Gefordert wird, abgelehnte Asylbewerber, die sich einer Abschiebung verweigern, strenger zu behandeln. Außerdem soll die EU mehr Druck auf Regierungen ausüben, die ihre Landsleute nicht zurücknehmen wollen. Europaweit können bislang nur 30 Prozent der abgelehnten Asylbewerber auch abgeschoben werden.
- Rheinische Post / General-Anzeiger Innenminister tagen In die EU-Asylpolitik kommt Bewegung
10.10.2024 Luxemburg · Rückmeldungen über erschöpfte Ressourcen vor Ort und wachsende Wahlerfolge von extremen Parteien verstärken den Druck auf die EU-Verantwortlichen, das gemeinsame Asylverfahren zu beschleunigen. Die EU-Innenminister bereiteten nun entsprechende Beschlüsse für den nächsten EU-Gipfel vor.
„Wir wollen die irreguläre Migration weiter zurückdrängen, Schleuser stoppen, auch den Kriminellen das Handwerk legen und Islamisten frühzeitig erkennen“, lautete die Begründung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Donnerstag beim Treffen der EU-Innenminister in Luxemburg für die Mitte September eingeführten Kontrollen an allen deutschen Landgrenzen. Überraschend machte sie gleichzeitig die Ansage, diese Kontrollen so lange vornehmen zu wollen, „bis wir europäische Lösungen haben“. Das schien gegen die Vorgaben des Schengen-Vertrages zu verstoßen, wonach (wiederholte) Grenzkontrollen immer nur in Notlagen für sechs Monate erlaubt sind. Doch dann zeigte sich, dass Deutschland offenbar die Grenzen auch deshalb kontrolliert, um die entstandene Bewegung in der EU-Asylpolitik zu beschleunigen.
Schon am frühen Morgen hatte Faeser mit ihren Amtskollegen aus Italien, Frankreich und Spanien gesprochen und gab deshalb zu Beginn des Treffens die Einschätzung wieder, dass der neue europäische Asyl- und Migrationspakt nicht erst ab Mitte 2026 seine Wirkung entfalten könnte, wie vorgesehen, sondern schon deutlich eher. Sie selbst werde den Gesetzentwurf zur Umsetzung in deutsches Recht bereits in den nächsten Tagen vorlegen. Auch andere Länder sähen sich in der Lage, deutlich früher mit der Verwirklichung zu beginnen. „Aus meiner Sicht wäre das ein sehr erfolgreicher Weg“, betonte Faeser zu diesem „deutlichen europäischen Signal“.
Das Treffen der EU-Innenminister dient auch der Vorbereitung des EU-Gipfels in der nächsten Woche. Das Thema Asyl wird dabei eine zentrale Rolle spielen. Und auf dem Tisch dürften auch weitere Initiativen liegen, die bislang noch nicht europäische Beschlusslage sind. Da ist etwa das Verlangen von 15 Mitgliedsländern nach einer zügigen Novelle der EU-Rückführungsrichtlinie. Diese Vorschrift sei bereits sechs Jahre alt und bedürfe „dringend“ einer Überarbeitung, weil sie „in der Praxis häufig nicht funktioniert“, erläuterte Faeser in Luxemburg. Sie meinte damit einerseits die Wege, die eingehalten werden müssen, um an den Grenzen Rückweisungen vornehmen zu können, andererseits aber auch eine Kombination mit den allmählich immer mehr werdenden Verträgen mit Drittstaaten, die zu einem „effektiven tatsächlichen Rückführungssystem“ führen müssten.
Die Innenminister befassten sich auch mit einer weiteren Idee, von der sich die Staaten spürbare Veränderungen bei dem Versuch versprechen, den Migrationsdruck besser in den Griff zu bekommen: Rückkehrzentren außerhalb der EU. Damit scheint Italien mit der Bearbeitung der Anliegen von Mittelmeerflüchtlingen in Albanien erfolgversprechende Erfahrungen zu sammeln. Das Prinzip werde derzeit in ihrem Haus geprüft und in Kürze öffentlich bewertet, kündigte Faeser an. Schon jetzt sei jedoch klar, dass es erst einmal einen Partnerstaat für die ausgesiedelten Verfahren geben müsse, „und das ist das Schwierigste daran“, betonte die Sozialdemokratin.
Unabhängig davon verstärken Deutschland und andere EU-Mitglieder den Druck auf Staaten wie Italien und Griechenland, um die Regeln der Dublin-Verfahren wieder ans Laufen zu bringen. Danach sind alle EU-Länder, in denen Flüchtlinge erstmals europäischen Boden betreten, auch für die Abwicklung der Asylverfahren zuständig. „Wir müssen das System wieder ans Laufen bringen“, verlangte Faeser in Luxemburg. Auch das könne im Vorgriff auf das gemeinsame europäische Asyl- und Migrationssystem bereits vorgenommen werden.
In der Vorklärung befindet sich bereits eine Passage der Abschlusserklärung des EU-Gipfels zum Thema Migration. Darin könnten sich die 27 Staats- und Regierungschef für eine „Intensivierung der Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitländern durch für beide Seiten vorteilhafte Partnerschaften“ aussprechen. Inwieweit ein Brief der 15 Staaten an EU-Innenkommissarin Ylva Johansson den Weg in die Schlussfolgerungen des Gipfels findet, hängt von den internen Diskussionen nächsten Donnerstag und Freitag ab. Danach geht es nicht nur um „breite Partnerschaften“ mit Nicht-EU-Staaten, sondern auch um „eine Verschiebung unseres Fokus von der Verwaltung irregulärer Migration in Europa hin zur Unterstützung von Flüchtlingen und Aufnahmeländern in den Herkunftsregionen“. In diesem Zusammenhang wird im Vorfeld des Gipfels und bei den EU-Innenministern ebenfalls immer wieder auf das Albanien-Modell geschaut. So dürfte denn der Bericht von Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni mit besonderem Interesse verfolgt werden, wenn sie schildert, wie italienische Behörden in Albanien die Verfahren abwickeln und nur diejenigen mit klarer EU-Bleibeperspektive auch einreisen lassen.