Vor Flüchtlingsgipfel: ARD-Deutschlandtrend zu Flucht und Migration und weitere Wortmeldungen

05.05.2023 Vor dem Hintergrund gestiegener Zahlen "unerlaubter Grenzübertritte" seit Jahresbeginn und nach Tagen weiter zugespitzter Debatte um die Aufnahme und Versorgung der Schutzsuchenden in Deutschland und die Positionierung der Bundesregierung zur europäischen Asylpolitik schlägt sich dies - wen wundert´s? - in den Meinungsumfragen nieder. Die Tagesschau veröffentlichte gestern ihren Deutschlandtrend mit dem besonderen Schwerpunkt: (Video Vor Flüchtlingsgipfel: ARD-Deutschlandtrend zu Flucht und Migration mit Ellen Ehni)

In Textfassung: Mehrheit für Asylverfahren an EU-Außengrenzen

04.05.2023 Vier von fünf Deutschen unterstützen laut ARD-DeutschlandTrend den Vorschlag, Asylverfahren an den EU-Außengrenzen durchzuführen. Die Hälfte wünscht sich, dass Deutschland weniger Flüchtlinge aufnimmt als derzeit.

...Eine große Mehrheit der Deutschen unterstützt diesen [Faeser für ein Asylverfahren an den EU-Außengrenzen] Ansatz. Für 79 Prozent geht der Vorschlag in die richtige Richtung, für jeden Zehnten (11 Prozent) in die falsche Richtung. Über Details einer solchen Regelung wird nun im Vorfeld eines für den 10. Mai im Kanzleramt geplanten Bund-Länder-Gipfels diskutiert. Kritiker befürchten, dass solche Asylverfahren an den EU-Außengrenzen das Recht auf Asyl aushöhlen und es für viele Flüchtlinge de facto abschaffen. ...

Dass Menschen, die aus verschiedenen Gründen auf der Flucht sind, in Deutschland aufgenommen werden sollten, findet einen breiten Rückhalt in der Bevölkerung - auch wenn dieser in Teilen leicht zurückgeht: So halten es 84 Prozent der Bürgerinnen und Bürger für richtig, dass Deutschland Flüchtlinge aufnimmt, die vor Krieg oder Bürgerkrieg fliehen (-10 im Vergleich zu Februar 2016). 70 Prozent unterstützen die Aufnahme von Menschen, die wegen Hungers- oder Naturkatastrophen aus ihrem Heimatland geflohen sind (-9 im Vergleich zu September 2015). Zwei Drittel (68 Prozent) unterstützen die Aufnahme von Flüchtlingen, die aus politischen oder religiösen Gründen verfolgt werden (-5 im Vergleich zu Februar 2016).

Menschen in Deutschland aufzunehmen, die geflohen sind, weil sie in ihrem Heimatland keine Arbeit und kein Auskommen haben, findet dagegen nur eine Minderheit von 30 Prozent richtig (+5); sechs von zehn Deutschen (61 Prozent) finden das falsch. ...

Anstrengungen für zivile Seenotrettung im Mittelmeer finden mehrheitliche Unterstützung bei den Bürgerinnen und Bürgern. Sechs von zehn Deutschen (60 Prozent) finden es gut, dass private Initiativen Flüchtlinge aus Seenot im Mittelmeer retten und in europäische Häfen bringen, jeder Dritte (32 Prozent) findet das nicht gut. ...

Während es also ein deutliches Bekenntnis zum Prinzip gibt, dass Deutschland Flüchtlinge aufnehmen soll und Menschen aus Seenot gerettet werden müssen, sieht der Blick auf die konkrete Situation in Deutschland etwas anders aus. Eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger (52 Prozent) spricht sich dafür aus, weniger Flüchtlinge aufzunehmen als derzeit...

Parteienkompetenz bei Einwanderungspolitik bei allen Parteien gesunken. ... Einer relativen Mehrheit von 35 Prozent fällt für eine gute Flüchtlings- und Einwanderungspolitik keine Partei ein; dieser Anteil liegt damit um 19 Prozentpunkte höher als noch unmittelbar vor der Bundestagswahl 2021...

 

Nach den in unserem Beitrag "Historisches Momentum" - Bundesregierung einig über Asylverfahren an den EU-Außengrenzen? Pro Asyl ist alarmiert zitierten Stimmen folgen hier weitere:

ZDF, 05.05.2023 Bleiberegelung : Ramelow: Asylbewerber pauschal anerkennen

Der Linken-Politiker Ramelow ist für eine großzügige Bleiberegelung für Asylbewerber. Eine pauschale Anerkennung soll erfolgen, wenn Schutzsuchende einige Voraussetzungen erfüllen.

Der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) schlägt eine großzügige Bleiberegelung für Asylbewerber vor.

Pauschale Anerkennung unter bestimmten Voraussetzungen

Er sprach sich für eine pauschale Anerkennung

  • aller nach 2014 angekommenen Schutzsuchenden aus, sofern diese
  • mindestens drei Jahre in Deutschland gelebt haben,
  • ohne auffällig zu werden.

So könne das Asylsystem entlastet werden, sagte Ramelow dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (Freitag).

Dann könnten wir uns die ganze Bürokratie und die Abschiebedebatten sparen. Dann müssten wir auch keine Arbeitskräfte mehr anwerben. Bodo Ramelow, Die Linke

Ramelow fordert Unterstützung des Bundes

Der Linken-Politiker betonte mit Blick auf den Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt am 10. Mai zudem, dass der Bund den Ländern und Kommunen helfen müsse bei den finanziellen Lasten, die sich aus dem Flüchtlingszuzug ergeben.

["Können nicht von Obergrenzen reden" - Ministerin Faeser über Flüchtlingshilfe]

Insbesondere die hohe Zahl derer, die vor dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine geflohen sind, hat die Flüchtlingszahl im vergangenen Jahr in Deutschland stark ansteigen lassen. Mehr als eine Million Menschen aus der Ukraine wurden registriert, überwiegend Frauen und Kinder. Im vergangenen Jahr gab es nach einem Rückgang in den Corona-Jahren auch wieder einen Anstieg der Anträge im regulären Asylsystem. Knapp 218.000 Erstanträge wurden gestellt, 47 Prozent mehr als 2021. Hauptherkunftsländer sind nach wie vor Syrien und Afghanistan. Auch in den ersten Monaten dieses Jahres ist die Zahl der Asylanträge weiter gestiegen.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow will Asylbewerbern unter bestimmten Umständen ein Bleiberecht geben. Nun hat er seinen Vorstoß präzisiert. Es gehe ihm nicht um eine pauschale Anerkennung aller Asylbewerber, sagte der Linken-Politiker, sondern um einen möglichen Wechsel in den Status von Arbeitsmigranten vor allem junger Menschen.

 

RND, 05.05.2023 Ramelow plädiert für Möglichkeit zum „Spurwechsel“

Berlin. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hat seinen jüngsten Vorstoß für ein Bleiberecht von Asylbewerbern verteidigt und präzisiert. „Es geht mir um einen Spurwechsel“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Ich möchte einem bestimmten Kreis von Menschen, die sowieso da sind, die Möglichkeit geben, den Asylantrag zurückzunehmen, um ihnen im Gegenzug eine Bleibeperspektive zu geben – so, als wenn wir sie als Arbeitsmigranten angeworben hätten. In Thüringen sind das 9500 junge Leute, die schon seit Jahren hier leben, im Alter zwischen 16 und 25 Jahren. Um die geht es mir.“

Ramelow fügte hinzu: „Asylanträge darf man in Deutschland nicht zurücknehmen. Und das ist der eigentliche Fehler. Damit produzieren wir immer mehr Verfahren, die in einer asylrechtlichen Falle landen und manchmal auch in der Illegalität. Damit landen Menschen bisweilen auf dem Schwarzmarkt, obwohl wir sie auf dem regulären Arbeitsmarkt dringend bräuchten.“

 

Derweil meldete der MDR über Sachsen und Thüringen mit Blick auf die Statistik bekannt gegeben: Zahl der unerlaubten Einreisen nach Sachsen stark gestiegen

02. Mai 2023 In Sachsen hat sich die Zahl der illegalen Grenzübertritte im ersten Quartal dieses Jahres im Vergleich zum ersten Quartal 2021 fast verdreifacht. Auch in Sachsen-Anhalt und Thüringen gab es mehr unerlaubte Einreisen. Der Trend entspricht der bundesweiten Entwicklung.

Die Bundespolizei hat einen deutlichen Anstieg der unerlaubten Grenzübertritte nach Sachsen festgestellt. Im ersten Quartal dieses Jahres waren es fast doppelt so viele wie im Vorjahreszeitraum: Registrierte die Bundespolizei von Januar bis März 2022 noch knapp 1.500 illegale Einreisen, stellte sie im ersten Quartal dieses Jahres mehr als 2.700 fest. Das teilte die Bundespolizeidirektion Pirna auf Nachfrage von MDR SACHSEN mit. Gegenüber den ersten drei Monaten des Jahres 2021 hat sich die Anzahl demnach sogar fast verdreifacht: Damals hatte die Bundespolizei 931 unerlaubte Grenzübertritte festgestellt.

Auch in Thüringen deutlich mehr unerlaubte Einreisen

Auch in Thüringen wurden deutlich mehr unerlaubte Einreisen festgestellt: Waren es im ersten Quartal des vergangenen Jahres noch 187, so registrierte die Bundespolizei im ersten Quartal dieses Jahres 341 unerlaubte Einreisen. In Sachsen-Anhalt blieb die Anzahl der illegalen Grenzübertritte hingegen fast gleich: 130 illegale Grenzübertritte stellte die Polizei von Januar bis März fest, im Vorjahreszeitraum waren es 126.

Der Trend, der sich in Sachsen und Thüringen feststellen lässt, entspricht der bundesweiten Entwicklung: Im ersten Quartal dieses Jahres stellte die Bundespolizei fast 20.000 illegale Grenzübertritte fest, im Jahr 2022 waren es knapp 13.000, 2021 waren es noch weniger als 10.000. Die Bundespolizei spricht von einem "kontinuierlich ansteigenden Trend" seit dem Jahr 2022.