Zum Jahrestag des Völkermords an den Ezid*innen: Bundesweiter Abschiebestopp und dauerhaftes Bleiberecht sind nötig

03.08.2025 Innerhalb weniger Tage gibt es Schlagzeilen, jesidische Menschen betreffend. Da geht es einmal um die Abschiebung einer Familie mit vier Kindern in den Irak. s. Sammelabschiebungen: Öffentlichkeit über Personenkreis getäuscht? Und es geht um den Jahrestag des als Völkermord erklärten Überfalls von IS-Kämpfern auf die jesidische Minderheit im Irak. Die Anerkennung des Völkermords und die Feststellung der Traumatisierung schützt die Geflüchteten keineswegs vor Abschiebung. Dazu schreibt die Zeit am 3. August 2025:

Vor elf Jahren überfielen Kämpfer des IS die Jesiden im Irak. Zum Jahrestag verspricht der Religionsfreiheitsbeauftragte der Bundesregierung Hilfe beim Wiederaufbau.

Der Beauftragte der Bundesregierung für Religions- und Weltanschauungsfreiheit, Thomas Rachel (CDU), hat an das Schicksal der Volksgruppe der Jesiden erinnert: Vor genau elf Jahren hatten Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) jesidische Dörfer im Nordirak überfallen und Massaker begangen; Millionen Menschen mussten fliehen.

Noch immer lebten über eine Million Menschen im Irak als Binnenvertriebene, schreibt Rachel zum Gedenktag, unter ihnen viele Menschen der jesidischen Gemeinschaft. "Die traumatischen Erlebnisse der Überlebenden wirken nach. Das Ringen um Gerechtigkeit dauert an." Zudem sei das Schicksal von über 2.600 weiblichen jesidischen Entführungsopfern weiterhin ungewiss.

Vor zwei Jahren erkannte der Bundestag das grausame Schicksal der Jesidinnen und Jesiden als Völkermord an – ein "wichtiges Zeichen", schreibt Rachel in seiner Erklärung. Auch werde Deutschland weiterhin Projekte und Organisationen unterstützen, die sich für Stabilisierung, Wiederaufbau und die Aufarbeitung von IS-Verbrechen einsetzen.

Abschiebungen aus Deutschland

"Die Bundesregierung unterstützt die jesidische Gemeinschaft in Irak weiter, damit sich ihre Lebensbedingungen verbessern und ihre Rechte gewahrt bleiben", schreibt Rachel. Konkret nennt er Therapieangebote, die Ausbildung von Traumatherapeuten, aber auch die Suche nach Vermissten, die Sicherung von Beweisen, die Exhumierung von Massengräbern sowie den Wiederaufbau von zerstörter Infrastruktur.

Unterdessen mahnen Menschenrechtsorganisationen, die Anerkennung des Genozids seien zu wenig konkrete Taten gefolgt. Viele Jesidinnen und Jesiden lebten "seit Jahren mit unsicherem Aufenthaltsstatus in Deutschland und sind akut von Abschiebung bedroht – zurück in ein Land, in dem ihre Sicherheit nicht gewährleistet ist", schreiben die NGOs Pro Asyl und Wadi. Sie fordern einen sofortigen, bundesweiten Abschiebestopp für die Minderheit.

 

  • Pressemitteilung CDU/CSU 01.08.2025: Wir gedenken der Opfer des Völkermordes an den Jesiden  darin ... Die Rückkehr der Jesiden in ihre angestammte Heimat, die Region Sinjar mit ihren heiligen Stätten, sind die Voraussetzung, um die Zukunft der jesidischen Religion und Kultur sichern zu können. Die Überlebenden benötigen – neben der offiziellen Anerkennung der Gräuel als Völkermord – nach über zehn Jahren eine reale Perspektive für ihre Rückkehr in die Heimat. Für ein friedliches Zusammenleben aller religiösen Minderheiten in der nordirakischen Region Sinjar zu sorgen, bleibt Aufgabe der irakischen Regierung und der kurdischen Regionalregierung sowie Verpflichtung der internationalen Staatengemeinschaft.

Vor elf Jahren, am 3. August 2014, begann im nordirakischen Sindschar der Genozid an den Ezid*innen durch die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS). Tausende wurden ermordet, Frauen und Mädchen verschleppt, versklavt oder gelten bis heute als vermisst. Trotz des offiziellen Gedenkens und der politischen Anerkennung durch den Bundestag hat sich für die Überlebenden wenig verbessert. Noch immer leben Hunderttausende in provisorischen Camps, viele in ständiger Angst und Unsicherheit.

PRO ASYL und Wadi e.V. erinnern anlässlich dieses Jahrestages daran, dass Deutschland als eines der ersten Länder den Völkermord an den Ezid*innen anerkannt hat. Doch dieser Anerkennung sind bislang kaum konkrete Taten gefolgt. Viele Ezid*innen leben seit Jahren mit unsicherem Aufenthaltsstatus in Deutschland und sind akut von Abschiebung bedroht – zurück in ein Land, in dem ihre Sicherheit nicht gewährleistet ist.

Die politische und humanitäre Lage der Ezid*innen im Irak hat sich nicht verbessert. Ein Wadi- Bericht vom Juli 2025 dokumentiert, dass sich die Situation in den Lagern für ezidische Binnenvertriebene zuletzt erheblich verschlechtert hat. Nachdem das irakische Ministerium für Migration und Vertreibung die Schließung der Lager angekündigt hatte, zogen sich viele Hilfsorganisationen zurück oder stellten mangels Finanzierung ihre Arbeit ein. Der Abbau der US-Entwicklungsbehörde USAID unter der Trump-Regierung verschärfte den finanziellen Engpass zusätzlich.

Die Lagerbewohnerinnen und ‑bewohner sehen keine Möglichkeit zur sicheren Rückkehr in ihre Herkunftsregionen. Die Heimatregion Sindschar liegt noch immer in Trümmern, und rivalisierende Milizen kämpfen weiterhin um Einfluss. Der irakische Staat ist nicht in der Lage, die Sicherheit der Ezid*innen zu garantieren.

Bundesweiter Abschiebestopp und dauerhaftes Bleiberecht sind nötig

Vor diesem Hintergrund ist jede Abschiebung von Ezid*innen in den Irak unzumutbar. PRO ASYL und Wadi e.V. fordern daher von der deutschen Politik einen sofortigen, bundesweiten Abschiebestopp für alle Ezid*innen

Ein Abschiebestopp allein genügt nicht. Ezid*innen brauchen eine langfristige Perspektive. PRO ASYL und Wadi e.V. setzen sich für ein dauerhaftes Bleiberecht für ezidische Geflüchtete ein. Deutschland muss die historische und moralische Verantwortung ernst nehmen und Betroffenen endlich Schutz und Sicherheit bieten.

Elf Jahre nach dem Genozid gilt es, klare Zeichen zu setzen. Niemand darf zurück an den Ort gezwungen werden, an dem Familie und Angehörige ermordet wurden. PRO ASYL und Wadi e.V. appellieren dringend an Bundesregierung und Bundesländer, jetzt zu handeln und den schönen Worten endlich Taten folgen zu lassen. Es ist höchste Zeit, den Opfern des Genozids in Deutschland wirklichen Schutz und eine Zukunftsperspektive zu garantieren.