16.05.2025 Das Thema Grenzkontrollen und Zurückweisungen bleibt umstritten. Hierzu gibt weiter Nachrichten. Mir fällt auf, dass die Zurückweisungen keineswegs gleichzusetzen sind mit der Zahl potenzieller Asylsuchender. Dobrindts Zahlen: 739 Menschen zurückgewiesen, aber: Von 51 Menschen, die ein Asylgesuch äußerten, seien 32 zurückgewiesen worden. 32 von 739? Da klingt 45 % mehr Zurückweisungen doch viel erfolgreicher. Allerdings enthält die hohe Zahl auch Menschen mit einer temporären Einreisesperre etwa wegen einer früheren Abschiebung. Die Gründe für die Zurückweisungen sind vielfältig, betreffen keineswegs nur die sogenannte irreguläre Migration.
Lohnt die Symbolpolitik aber den Bruch deutschen und europäischen Rechts? Lohnt sie den immensen Personal- und Kostenaufwand? Lohnt sie den Preis, den abgewiesene Schutzsuchende zahlen, um vorgeblich Stimmen / Stimmung von der AfD zur CDU/CSU zu ziehen?
Einige Berichte werden hier chronologisch wiedergegeben:
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Deutschlandfunk 15.05.2025 Laschet (CDU): Zurückweisungen an den Grenzen sind Symbolpolitik, aber ein Signal, das in die Welt geht
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Tagesschau 15.05.2025: Dobrindt meldet 45 Prozent mehr Zurückweisungen
- rbb24 15.05.2025: Polen verweigert Rücknahme von Asylbewerbern - und fordert Nachweise
- RND 14.05.2025: Am stärksten auf der Westbalkanroute - Irreguläre Grenzübertritte in EU gehen deutlich zurück
Muss Deutschland seine Grenzen kontrollieren, weil die Migrationspolitik der EU versagt? Neue Zahlen könnten die Bundesregierung in Erklärungsnot bringen....
In vollem Wortlaut:
- Deutschlandfunk 15.05.2025 Laschet (CDU): Zurückweisungen an den Grenzen sind Symbolpolitik, aber ein Signal, das in die Welt geht
Der CDU-Politiker Laschet hat die Zurückweisungen von irregulär eingereisten Menschen an den deutschen Grenzen als Symbolpolitik bezeichnet.
Allerdings gehöre auch das dazu, sagte er im ARD-Fernsehen. Es gehe darum, ein Signal in die Welt zu senden. Es könne nicht funktionieren, dass jeder, der nach Europa komme, am Ende in Deutschland lande. Wenn man dieses Signal sende, werde sich das herumsprechen und dann eine Wirkung entfalten, führte Laschet aus. Er geht davon aus, dass diese Zurückweisungen nur eine Zeit lang durchgeführt werden. Das sage inzwischen auch Bundesinnenminister Dobrindt.
Laut aktuellen Zahlen der EU-Grenzschutzagentur Frontex ist die Zahl der irregulären Grenzübertritte deutlich gesunken. In den ersten vier Monaten des Jahres wurden im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 30 Prozent weniger registriert. Für die neue Bundesregierung könnten die Zahlen ein Problem darstellen. Union und SPD rechtfertigen die verstärkten Kontrollen an den deutschen Grenzen unter anderem mit unzureichenden Fortschritten in der europäischen Migrationspolitik.
- Tagesschau 15.05.2025: Dobrindt meldet 45 Prozent mehr Zurückweisungen
Wenige Stunden nach seinem Amtsantritt hatte Bundesinnenminister Dobrindt schärfere Grenzkontrollen angekündigt. Mit einer ersten Bilanz zeigt er sich nach einer Woche zufrieden. Auch Asylsuchende seien abgewiesen worden.
Seit der Verschärfung der Grenzkontrollen vor einer Woche ist die Zahl der Zurückweisungen nach Angaben von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) um fast die Hälfte gestiegen.
In den vergangenen sieben Tagen wies die Bundespolizei demnach 739 Menschen an der Grenze zurück, wie Dobrindt bei einem Besuch der Kontrollstelle an der Autobahn 93 an der bayerisch-österreichischen Grenze sagte. Das seien 45 Prozent mehr gewesen als die 511 Zurückweisungen in der Woche zuvor.
32 Asylsuchende unter Zurückgewiesenen
Unter den Zurückgewiesenen waren demnach auch Asylsuchende: Von 51 Menschen, die ein Asylgesuch äußerten, seien 32 zurückgewiesen worden, sagte Dobrindt.
Dobrindt hatte am Mittwoch vergangener Woche - wenige Stunden nach seinem Amtsantritt als Bundesinnenminister - eine Intensivierung der Grenzkontrollen verfügt. Gleichzeitig ordnete er an, künftig sollten auch Asylsuchende an der Grenze zurückgewiesen werden können. Dies soll allerdings nicht für Schwangere, Kinder und andere Angehörige vulnerabler Gruppen gelten.
Bundesregierung beruft sich auf nationales Recht
Zuvor waren lediglich Menschen, die kein Asylgesuch vorbrachten, sowie Ausländer, die mit einer temporären Einreisesperre etwa wegen einer früheren Abschiebung belegt waren, zurückgewiesen worden. Voraussetzung für eine Zurückweisung sind Kontrollen direkt an der Grenze. Diese hatte Dobrindts Vorgängerin Nancy Faeser (SPD) nach und nach für alle Grenzabschnitte angeordnet.
Die Vorgängerregierungen hatten Zurückweisungen Schutzsuchender mit Verweis auf das europäische Recht abgelehnt. Demnach ist Deutschland zumindest verpflichtet, zu prüfen, welches Land für das Asylverfahren zuständig ist. Die Bundesregierung beruft sich bei ihrer Entscheidung nun auf nationales Recht - in Verbindung mit einer Ausnahmeregel im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union.
- rbb24 15.05.2025: Polen verweigert Rücknahme von Asylbewerbern - und fordert Nachweise
Polen stellt sich gegen Deutschlands neue Rückführungsregeln. Botschafter Tombiński fordert Nachweise dafür, dass Asylbewerber tatsächlich über Polen nach Deutschland eingereist sind.
Polen sieht wenig Sinn in der Kontrolle der Binnengrenzen der Europäischen Union. Das sagte Jan Tombiński, der polnische Botschafter, am Donnerstag bei seinem Antrittsbesuch im Brandenburger Landtag. Beim Umgang mit Asylbewerbern, die an der Grenze aufgegriffen werden, sieht er Deutschland in der Pflicht. "Deutschland muss nachweisen, dass zurückgewiesene Asylbewerber wirklich aus Polen gekommen sind", sagte Tombiński.
Medienbericht: Polen verweigerte Rücknahme
Hintergrund ist ein Fall in Guben: Dort hatte die Bundespolizei am Montagmorgen zwei afghanische Männer aufgegriffen, die offenbar illegal aus Polen eingereist waren. Die beiden im Alter von 20 und 23 Jahren wurden etwa einen Kilometer von der Neiße entfernt nördlich der Stadt gestellt, wie zuerst "Der Spiegel" berichtete. Sie hatten laut Polizei keine gültigen Aufenthaltspapiere dabei und gaben an, über eine Brücke nach Deutschland gekommen zu sein.
Die Bundespolizei wollte die beiden Männer nach Polen zurückführen, doch Polen verweigerte die Rücknahme. Seit vergangener Woche kann die Bundespolizei Asylbewerber an der Grenze zurückweisen, wenn sie aus einem sogenannten sicheren Drittstaat wie Polen oder der Schweiz einreisen.
Polnische Behörden begründeten die verweigerte Rücknahme in diesem Fall offenbar damit, dass die beiden Männer in Deutschland ein Schutzgesuch gestellt hätten. Nach polnischer Sichtweise greife damit das Dublin-Verfahren, wonach zunächst Deutschland für die Prüfung des Asylantrags zuständig sei.
Männer wurden nach Eisenhüttenstadt gebracht
Tombiński sagte, Polen habe seit Jahren in den Schutz der EU-Außengrenze investiert. Mit dem Ziel, die Freizügigkeit im Schengenraum zu erhalten. "Die Kontrollen an den Innengrenzen der EU beeinträchtigen den Warenaustausch und die Pendler, die auf beiden Seiten der Grenze arbeiten", sagte er und warnte vor wirtschaftlichen Folgen.
Wie "Der Spiegel" weiter berichtete, hieß es aus Führungskreisen der Bundespolizei, dass ähnliche Situationen bereits in der Vergangenheit vorgekommen seien. Polen habe dabei regelmäßig argumentiert, dass nicht nachgewiesen werden könne, ob die Betroffenen tatsächlich aus Polen eingereist seien.
Die beiden Männer wurden nach der verweigerten Rücknahme zur Erstaufnahme nach Eisenhüttenstadt gebracht. Laut Dublin-Abkommen hat Deutschland sechs Monate Zeit für eine Rückführung in das EU-Land, das zuerst betreten wurde. Gelingt das nicht, bleibt Deutschland zuständig für das Asylverfahren.
- RND 14.05.2025: Am stärksten auf der Westbalkanroute - Irreguläre Grenzübertritte in EU gehen deutlich zurück
Muss Deutschland seine Grenzen kontrollieren, weil die Migrationspolitik der EU versagt? Neue Zahlen könnten die Bundesregierung in Erklärungsnot bringen.
In der Europäischen Union sind in den ersten vier Monaten des Jahres deutlich weniger irreguläre Grenzübertritte registriert worden als im Vorjahreszeitraum. Die Gesamtzahl sank um knapp 30 Prozent auf rund 47.000, wie aus neuen EU-Daten hervorgeht, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegen. Der stärkste Rückgang wurde demnach auf der sogenannten Westbalkanroute verzeichnet, wo nur noch rund 3.100 Menschen gezählt wurden - ein Minus von 58 Prozent.
Aber auch auf allen anderen wichtigen Routen gingen die Zahlen zurück. So gab es auf der zentralen Mittelmeerroute von Nordafrika in Richtung Italien einen Rückgang der irregulären Grenzübertritte um drei Prozent auf rund 15.700. Auf der östlichen Mittelmeerroute in Richtung Griechenland sanken die Zahlen um 30 Prozent auf rund 12.200. Und in Richtung spanisches Festland kamen über das Meer nur noch rund 3.500 Menschen (minus 10 Prozent), in Richtung Kanarische Inseln lediglich noch rund 10.400 (minus 34 Prozent).
EU-Kommissar: Maßnahmen gegen irreguläre Migration greifen
Der für Migration zuständige EU-Kommissar Magnus Brunner wertet die Entwicklungen als Beleg für den Erfolg der gemeinsamen europäischen Politik. „Das zeigt, dass unsere Maßnahmen greifen, gerade auch das verstärkte Engagement mit Partnerländern außerhalb der EU“, meint der Österreicher. Gemeinsam mit den EU-Mitgliedstaaten arbeite man daran, die irreguläre Migration weiter einzudämmen.
Dabei gehe es auch darum, Schleppern das Handwerk zu legen, sagte Brunner. Schätzungen zufolge kassieren diese zum Teil fünfstellige Beträge für die Reiseorganisation. Die meisten Menschen kamen zuletzt aus den Ländern Bangladesch, Afghanistan und Mali an.
Frontex-Zahlen erschweren Argumention der Bundesregierung
Zusammengestellt wurden die aktuellen Daten von der EU-Grenzschutzagentur Frontex mit Sitz in Warschau. Sie hat nach eigenen Angaben derzeit 3.200 Beamte entlang der EU-Außengrenzen im Einsatz. Sie arbeiten dort mit den nationalen Behörden zusammen und überwachen auch Meeresgebiete, in denen immer wieder Migranten in Seenot geraten. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) schätzt, dass allein in den ersten vier Monaten dieses Jahres 555 Menschen auf See ums Leben gekommen sind.
Für die neue deutsche Bundesregierung könnten die jüngsten EU-Zahlen unterdessen ein Problem darstellen. Grund ist, dass sie die aktuell verstärkten Kontrollen an den deutschen Grenzen unter anderem mit unzureichenden Fortschritten in der EU-Migrationspolitik erklärt. Grundsätzlich sollen im sogenannten Schengen-Raum eigentlich nur die EU-Außengrenzen kontrolliert werden, um innerhalb des Schengen-Raums einen freien Personen- und Warenverkehr ohne lästige Kontrollen zu ermöglichen.
Außerdem zeigen die neuen Frontex-Zahlen, dass nicht alle in der EU ankommenden Flüchtlinge auch dauerhaft dort bleiben wollen. So wurden in den ersten vier Monaten des Jahres rund 18.100 irreguläre Grenzübertritte oder Grenzübertrittversuche in Richtung Großbritannien registriert. Dies waren fünf Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.
RND/dpa