Newsletter 15. 6. 2016

Gespeichert von Susanne Rohde am Mi., 15.06.2016 - 20:30 Uhr

Hallo, liebe Engagierte in der Flüchtlingsunterstützung und -politik,

aus aktuellem Anlass kommt ganz schnell ein weiterer Newsletter mit den Informationen

  1. Rassisten und Nazis sagen ihre Hetzdemo am 18. 6. ab

  2. Integrationsgesetz sieht 5 Jahre Dauer der Verpflichtungserklärungen vor: Menschlichkeit wird bestraft! Pressemitteilung von Bonner Bürgen

Mit freundlichen Grüßen

Susanne Rohde für weltoffen

www.weltoffen-bonn.de

 

Zu 1.: Rassisten und Nazis sagen ihre Hetzdemo am 18. 6. ab

Im Newsletter vom 13. Juni hatten wir auf den Protest von „Bonn stellt sich quer“ gegen die angekündigte Demonstration von Rassisten und Nazis hingewiesen. Am heutigen 15. Juni zogen die rechtsextremen Veranstalter ihr Vorhaben zurück, möglicherweise unter dem Eindruck der deutlichen Stimmung in der Stadt, die Kundgebungen und Blockaden von „Bonn stellt sich quer“ zu unterstützen und genervt und ausgebremst durch die von der Polizei den Rassisten auferlegten Einschränkungen bezüglich Versammlungsort und Demonstrationsweg. Vielleicht zeichnete sich aber auch ab, dass sie zumindest hier im Rheinland keinen großen Zulauf für ihre Aktion erhalten.

So werden in Bonn am 18. 6. nun ohne die Konfrontation deutliche Zeichen gegen Rassismus gesetzt: um 12 Uhr in der Bonner Innenstadt rund um die Uni bei der Aktion Hand in Hand gegen Rassismus - für Menschenrechte und Vielfalt http://hand-in-hand-gegen-rassismus.de/mitmachen/

Treffpunkt 11:30 Hofgarten. Und ab 13 Uhr in der Godesberger Innenstadt, wenn „Bonn stellt sich quer“ eine Demonstration „Gegen die ausufernde rassistische Gewalt“ veranstaltet. s. Pressemitteilung auf http://www.bonn-stellt-sich-quer.de/

 

Zu 2.: Verpflichtungserklärungen sollen auf 5 Jahre festgeschrieben werden

Der Entwurf des Integrationsgesetzes findet widersprüchliche Kommentierungen. Zum Beispiel bezüglich der vorgesehenen vorauseilenden Sanktionierung von „Verweigerern“ oder der beabsichtigten Aufteilung von finanziellen Leistungen. Dass mit diesem Gesetzentwurf aber auch die Angelegenheit der Verpflichtungserklärungen geregelt wird, mit denen im Zusammenhang von Landesprogrammen Syrienflüchtlingen die legale und sichere Einreise nach Deutschland ermöglicht wurde, meist durch Bürgschaften ihrer schon lange hier lebenden Angehörigen, ist größtenteils unbekannt.

Die Bürgen verpflichteten sich, für die Lebenshaltungskosten der „Eingeladenen“ aus dem syrischen Kriegsgebiet aufzukommen und finanzierten die Einreise und alle Kosten des Einlebens. Was mit der Bürgschaft geschieht, wenn die so hier Aufgenommenen Asyl erhalten und damit eigentlich anderen Bürgerkriegsflüchtlingen gleichgestellt werden sollten, ist und bleibt umstritten und fraglich. Gilt sie lebenslänglich oder nur bis zur Anerkennung als Flüchtling – das war die Frage mit unterschiedlichen Antworten aus Land und Bund.

5 Jahre lang sollen sie gelten, soll nun das Integrationsgesetz festschreiben. Eine katastrophale Nachricht für die Bürgen und ihr Umfeld. Mit viel Lobbyarbeit und der folgenden Pressemitteilung versuchen Aktive aus Bonn, diese schwerwiegende Festschreibung zu verhindern. Ihre Pressemitteilung vom 14. Juni 2016:

"Menschlichkeit wird bestraft

Der Entwurf des neuen Integrationsgesetzes sendet ein verheerendes Signal an engagierte Bürger – über 20.000 Bürgen in Deutschland drohen extrem hohe finanzielle Belastungen, nicht wenigen der finanzielle Ruin.

Das neue Integrationsgesetzes bestraft diejenigen, die sich für syrische Flüchtlinge besonders eingesetzt haben. Es geht um die langen Laufzeiten der Verpflichtungserklärungen für die legale Einreise von syrischen Kontingent-Flüchtlingen über die Bundes- und Landesprogramme sowie die Rückforderungen des Staates von den engagierten Bürgen.

Über 20.000 Bürgen in Deutschland sollen laut Gesetzentwurf volle fünf Jahre für die Lebenshaltungskosten der legal eingereisten Geflüchteten aufkommen. Die Bürgen haben durch ihre Unterschrift einer so genannten Verpflichtungserklärung ein großes finanzielles und rechtliches Risiko auf sich genommen. Die Verpflichtungsgeber in Nordrhein-Westfalen sind davon ausgegangen, dass ihre persönliche Verpflichtung und finanzielle Belastung endet, wenn die eingereisten Personen als Flüchtlinge anerkannt werden: „Mit der Titelerteilung nach erfolgreichem Asylverfahren wird der neue Aufenthaltszweck aufenthaltsrechtlich anerkannt, so dass die Geltung einer im Zusammenhang mit der Landesaufnahmeanordnung abgegebenen Verpflichtungserklärung endet“ (Erlass des NRW-Innenministers Jäger, 24. April 2015). Das Land NRW vertritt somit eine andere Meinung als Bundesinnenminister de Maizière, der auf eine Fortgeltung der Verpflichtungserklärung trotz Flüchtlingsanerkennung besteht.

Gefährliche Flucht verhindert, vom Staat bestraft und ruiniert

Die Programme für Kontingentflüchtlinge bieten eine der wenigen legalen und sicheren Einreiseformen nach Deutschland und entziehen den Schleppern ihre illegale Geschäftsgrundlage. Gleichzeitig findet in vorbildlicher Weise eine Integration statt. Denn durch die Bürgen erhalten die Geflüchteten Unterstützung bei Amtsgängen, der Schulanmeldung, dem Spracherwerb und der Arbeitssuche. Auch hierdurch entlasten die Verpflichtungsgeber Bund, Länder und Kommunen.

Tritt das neue Integrationsgesetz mit der derzeit vorgesehenen Passage zur Geltung der Verpflichtungserklärungen in Kraft, werden die Bürgen für ihr außerordentliches Engagement abgestraft. Sollten die Jobcenter beginnen, von den Bürgen die an die Geflüchteten nach ihrer Asylanerkennung gezahlten Sozialleistungen zurückzufordern, müssen die Verpflichtungsgeber mit Rückzahlungen in Höhe von 300 bis 550 Euro pro Person und Monat rechnen. Da einige Bürgen sogar mehrere Verpflichtungserklärungen unterzeichnet haben, droht diesen der finanzielle Ruin. Eine syrisch-stämmige Verpflichtungsgeberin in Bad Godesberg, mit deren Hilfe sieben Familienangehörige in Deutschland Sicherheit finden konnten, muss sich auf eine Rückforderung des Staates in Höhe von bis zu 210.000 Euro einstellen.

Flüchtlingsinitiativen fordern ein Erlöschen der Verpflichtungserklärung nach 1 Jahr oder bei Flüchtlingsanerkennung

Der Flüchtlingsrat NRW und drei Bonner Flüchtlingsinitiativen – die Flüchtlingshilfe Syrien der evangelischen Johanneskirchen-Gemeinde Bad Godesberg, das flüchtlingspolitische Netzwerk weltoffen Bonn und die Beueler Initiative gegen Fremdenhass – fordern die Politik nun auf, dass die im Gesetzentwurf vorgesehene Fünfjahresfrist auf höchstens ein Jahr korrigiert wird. Auf jeden Fall sollte die im neuen § 68a des Aufenthaltsgesetzes vorgesehene Haftung der bisherigen Bürgen entfallen. Bürgen, die eine Verpflichtungserklärung vor dem Beschluss des Integrationsgesetzes abgaben, haben einen Anspruch darauf, dass mit der Anerkennung des Flüchtlingsstatus der Eingereisten die Bürgschaft erlischt:

„Die bisherigen Verpflichtungsgeber müssen auf den alten Rechtszustand vertrauen dürfen, wonach bei einer Änderung des Aufenthaltszwecks die Verpflichtungserklärung erlischt“, erklärt Birgit Naujoks, Geschäftsführerin des Flüchtlingsrates NRW. „Innenminister Jäger hat dieses Vertrauen noch gestärkt. Sollte die Neuregelung auf Bundesebene wie geplant auch die Altfälle umfassen, muss das Land NRW andere Lösungen zur Entlastung der Bürgen finden, beispielsweise durch Einrichtung eines Sondertopfes zur Kostenübernahme.“

Bei den Kontingentflüchtlingen geht es um 20.000 Flüchtlinge, die 2013 bis 2015 über die offiziellen Bundesprogramme nach Deutschland kamen, und 16.000 Flüchtlinge, die bis Juni 2015 über die Landesprogramme ein Visum zur legalen Einreise erhielten. An den Landesaufnahmeprogrammen konnten nur die Flüchtlinge teilnehmen, für die eine private Verpflichtungserklärung von Verwandten oder anderen Bürgen unterzeichnet wurde. In Nordrhein-Westfalen wurden über 7.000 Verpflichtungserklärungen abgegeben, etwa 2000 Geflüchtete reisten so bis Ende 2015 sicher ein. Allein in Bonn konnten durch die Unterschrift der Verpflichtungsgeber 365 Geflüchtete Zuflucht finden. Etwa 500 Bürgerinnen und Bürger aus Bonn ermöglichten dies durch Bürgschaften oder durch ihre finanzielle Unterstützung. Wir halten es für skandalös, dass diese nun auch nach Anerkennung der Flüchtlinge weiter zahlen sollen.

Wir fordern die Politiker im Bundestag und Bundesrat zum verantwortlichen Handeln auf!

In der nächsten Woche, am Montag, 20. Juni, findet im Deutschen Bundestag eine öffentliche Anhörung zum Integrationsgesetz des Ausschusses für Arbeit und Soziales statt. Daraufhin wird das Gesetz im Bundestag und im Bundesrat diskutiert und beschlossen. Wir fordern alle verantwortlich handelnden Bundes- und Landespolitiker auf, sich für eine Änderung der Regelung zu den Verpflichtungserklärungen im Integrationsgesetz einzusetzen, die engagierten Bürgen zu entlasten und nicht ihre Menschlichkeit zu bestrafen. Wir erwarten, dass der Gesetzgeber die Stellungnahmen wichtiger Verbände zur Anhörung ernst nimmt. Unter anderen teilen die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die Caritas und die Diakonie unsere Auffassung zur Änderung des relevanten § 68a des Aufenthaltsgesetzes im neuen Integrationsgesetz. Der Sachverständigenrat Deutscher Stiftungen für Integration und Migration fordert in einem Sachgutachten ebenfalls, die Dauer der Verpflichtungserklärungen deutlich zu begrenzen.

Für Rückfragen und Interviews stehen folgende Vertreter von flüchtlingspolitischen Initiativen – und zugleich selbst Bürgen – bereit:

Christoph Nicolai

Telefon: 0228-9610472, Email: fluechtlingshilfe@johannes-kirchengemeinde.de

Flüchtlingshilfe Syrien der evangelischen Johanneskirchengemeinde Bad Godesberg:
https://johannes-kirchengemeinde.de/fluechtlingshilfe

Dr. Benjamin Etzold

Telefon: 0163-6850579, Email: etzold@weltoffen-bonn.de

Bonner flüchtlingspolitisches Netzwerk weltoffen: http://weltoffen-bonn.de

Susanne Rohde

Telefon: 0228-461316, Email: surohde@googlemail.com

Beueler Initiative gegen Fremdenhass (Flüchtlingsinitiative „Von Aleppo nach Beuel“): https://beuelerinisyrienfluechtlinge.wordpress.com

Birgit Naujoks

Telefon: 02345-8731577, Email: naujoks@frnrw.de

Flüchtlingsrat NRW: http://www.frnrw.de/

1 Engler (2015): Sicherer Zugang. Die humanitären Aufnahmeprogramme für syrische Flüchtlinge in Deutschland. Policy Brief des Sachverständigenrates Deutscher Stiftung für Integration und Migration. Oktober 2015. http://www.svr-migration.de/ "