Newsletter 17. 5. 2016

Gespeichert von Susanne Rohde am Di., 17.05.2016 - 12:07 Uhr

Liebe für Flüchtlinge und Integration Engagierte in Bonn,

der heutige Newsletter beginnt mit ein paar Zeilen als Angebot an diejenigen, die wie ich in/nach diesen Tagen nicht wortlos zu den üblichen Tätigkeiten übergehen wollen:

An diesem Pfingstwochenende standen wir in Bonn unter dem Eindruck der unfassbaren Gewalt, an deren Folgen der 17jährige Niklas verstarb. Es mischten sich Gefühle der Betroffenheit, der Anteilnahme mit Familie und Freundeskreis, des Zorns mit der Ratlosigkeit, was zu solcher Brutalität führen kann und wie die Stadtgesellschaft wirken kann, damit dies ein traurig-mahnender Einzelfall bleibt. Zugleich mussten wir entschieden jeder Instrumentalisierung des brutalen Verbrechens entgegentreten. Am Samstag kamen aus den unterschiedlichsten Kreisen und Teilen der Stadt kurzfristig Hunderte in Godesberg zusammen, um ihre aufrichtige Trauer um Niklas auszudrücken und die rechtsextremen Aktivisten mit ihrer rassistischen Hetze deutlich zurückzuweisen.

Diese Kundgebung setzte ein neues Zeichen, das uns darin bestärken sollte, den bisherigen gemeinsamen Weg in Bonn  fortzusetzen: Es gilt, das friedliche und vielfältige Miteinander in dieser Stadt, den gegenseitigen Respekt zu bewahren und unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Generation einander zu achten.

In unserem Newsletter thematisieren wir heute

  1. Neue Wohnunterkünfte: Die Unterbringung in Turnhallen endet

  2. Bonner Bündnis gegen Abschiebungen richtet den Fokus auf die Ermekeilkaserne /

    Frühlingsfest der Ermekeilinitiative am 21. 5.

  3. weltoffen und EMFA laden ein zu weiterem Flüchtlingspolitischen Forum: Ehrenamtliche als Lückenfüller – Wie gelingt der Spagat zwischen Sachzwängen und Ansprüchen? am Freitag, 3. Juni 2016

  4. Prekäre Arbeitsverhältnisse bei Deutschkurs-Lehrkräften

  5. Welcome2stay - Erstes Gipfeltreffen der Bewegungen des Willkommens, der Solidarität, der Migration und des Antirassismus am 10. bis 12. Juni 2016 in Leipzig

Angesichts der Vielzahl interessanter Veranstaltungen weisen wir im Newsletter nicht auf weitere Termine hin. Wir bitten, regelmäßig den Terminkalender auf www.weltoffen-bonn.de aufzurufen, der ständig ergänzt wird.

Mit freundlichen Grüßen und der Bitte um Weiterleitung an Interessierte

Susanne Rohde für weltoffen

 

1. Neue Wohnunterkünfte: Die Unterbringung in Turnhallen endet

Erfreulicherweise konnte die Stadt Bonn jetzt im Frühling einige größere Gemeinschaftsunterkünfte eröffnen. Am morgigen Mittwoch findet die entsprechende Informationsveranstaltung für die Flüchtlingsunterkunft in der Karl-Finkelnburg-Straße in Godesberg statt (18. Mai, 19 Uhr, im Gemeindesaal der Katholischen Kirchengemeinde St. Andreas, Rolandstraße 2). Damit endet auch die monatelange Belegung von Turnhallen, die sowohl für die darin untergebrachten Geflüchteten als auch für die Sport- und Freizeitinteressierten der Stadt unerträglich war.

Angesichts des gravierenden Wohnungsmangels muss die Mehrzahl der in Bonn Aufgenommenen in großen Gruppenunterkünften beherbergt werden. Bei den älteren ebenso wie bei den neu entstehenden Gruppenunterkünften sollte die kritische Öffentlichkeit gemeinsam mit den Geflüchteten auf die Einhaltung von Mindeststandards achten, die der Flüchtlingsrat NRW formulierte und 2015 im Rahmen der Flüchtlingspolitischen Werkstatt übernommen wurden (siehe http://www.weltoffen-bonn.de/content/die-wohnsituation-von-fluechtlingen-bonn-verbessern). Die gewünschte dezentrale Unterbringung in Wohnungen kommt nur in geringem Umfang zustande. In diesem Zusammenhang verweist weltoffen noch einmal auf den gemeinsamen Offenen Brief von 14 Gruppierungen in Bonn hin, die den Oberbürgermeister auffordern, jetzt den Wohnungsbau zu forcieren. (http://www.weltoffen-bonn.de/content/wohnbau-offensive-jetzt-starten). Eine Resonanz steht immer noch aus.

So erfreulich der Auszug aus den Turnhallen auch ist, auch hierbei gibt es Klagen über den Umgang. Wie beim Verlassen der Ledenhofunterkunft beschweren sich auch beim Auszug aus der Turnhalle der Realschule Beuel Ehrenamtliche über mangelnde Vorbereitung und fehlende Gelegenheit zum Abschiednehmen. Eine pensionierte Lehrerin, die seit Monaten ehrenamtlich Sprachunterricht erteilte und jetzt schon zum zweiten Mal erleben musste, dass eine Lerngruppe unangekündigt wegen Umzug verschwand, schrieb deshalb einen Brief an die Integrationsbeauftragte der Stadt Bonn, aus dem wir zitieren dürfen: „..Ich freue mich natürlich, dass die Flüchtlinge nun in Wohnungen wohnen. Leider hatte ich wieder nicht die Möglichkeit, mich von den Menschen zu verabschieden. Abschiednehmen ist etwas Wesentliches für uns Menschen und gehört zu unserer Kultur. Im Sinne von Integration ist es auch für die Flüchtlinge wichtig. Gern hätte ich Anschriften oder Handy-Nr. ausgetauscht. Ich muss sagen, dass ich sehr frustriert bin über die Art des Vorgehens...“ 

2. Fokus auf Asyl- undAbschiebefabrik in der Ermekeilkaserne

Mit einer Pressemitteilung weist „Hiergeblieben! Bonner Bündnis gegen Abschiebungen“ auf seine ersten Aktivitäten in der Öffentlichkeit hin. In Anbetracht des am 2. Mai eröffneten „Ankunftszentrums“ in der Bonner Südstadt (Ermekeilkaserne) möchte das Bündnis die Verschärfungen der Asylpolitik mit ihren gravierenden Auswirkungen (auch in Bonn) nicht nur kommentierend hinnehmen, heißt es darin. (siehe den Blog https://hiergebliebenbonn.wordpress.com ) Und weiter: „am 10.5.2016 gegen 18 Uhr, organisierte das Bündnis eine interaktive Aktion, um die Öffentlichkeit für das Vorhaben der Ankunftszentren, die im Auftrag der Landesregierung NRW vom BAMF eingerichtet werden, zu sensibilisieren. In der Unterführung an der Poppelsdorfer Allee wurde im Schnellverfahren über den Asylantrag von Passant*innen entschieden. Mittels unterschiedlicher Stationen wurde der vom BAMF vorgesehene Weg der Geflüchteten nachgestellt und einzelne Aspekte besonders hervorgehoben.

„Wir sehen in dem Ankunftszentrum eine erneute Einschränkung des Rechts auf Asyl. Innerhalb einer Woche sollen 800 Geflüchtete durch die Maschinerie geschleust werden.“ so Maria Klein vom Bündnis.

Ankunft bedeutet hier für die Geflüchteten innerhalb nur einer Woche Medizinische Inaugenscheinnahme, Erstregistrierung, Stellung des Asylantrags, sowie Anhörung und Entscheid über den Asylantrag. „In diesem straffen Zeitplan ist keine detaillierte Vorbereitung auf die Anhörung vorgesehen, noch ist gewährleistet, dass die Betroffenen ausreichende juristische Beratung in Anspruch nehmen können. Dabei ist die Anhörung zentral für den Entscheid über den Asylantrag. Von Recht auf individuelle Asylprüfung kann keine Rede mehr sein!“ so Maria Klein weiter.

Das Bündnis ist ein Zusammenschluss von Einzelpersonen die zum Thema Abschiebungen arbeiten. Es steht bedingungslos hinter dem Menschenrecht auf Bewegungsfreiheit und setzt sich für ein Bleiberecht für Alle ein. Auch in Zukunft sind weitere Aktionen geplant, die nächste am 21.5 anlässlich des Frühlingsfestes der Ermekeiliniative e.V.“, heißt es am Ende der Pressemitteilung.

Nachbemerkung: Das Frühlingsfest am kommenden Samstag, 21. 5. wird, so ist zu befürchten, die letzte Möglichkeit sein, das Ermekeil-Gelände frei zu betreten. Nach dem 31. Mai 2016 sollen nach dem Willen der Behörden nur noch Personen Zutritt erhalten, die zuvor ein „berechtigtes Interesse“ angemeldet und ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorgelegt haben.

 

3. Das Bonner Flüchtlingspolitische Netzwerk weltoffen und die Evangelische Migrations-Flüchtlingsarbeit Bonn (EMFA)-Integrationsagentur laden ein zum 2. Flüchtlingspolitischen Forum

Ehrenamtliche als Lückenfüller – Wie gelingt der Spagat zwischen Sachzwängen und Ansprüchen?

am Freitag, 3. Juni 2016, 19 Uhr, MIGRApolis - Haus der Vielfalt, Brüdergasse 16-18, Bonn.

Das erste flüchtlingspolitische Forum am 4. April hat vor allem eines gezeigt: Es besteht ein großer Bedarf, sich inhaltlich über die uns alle bewegenden Fragen auszutauschen.

Welchen Stellenwert hat das ehrenamtliche Engagement für das Funktionieren eines zunehmend fabrikmäßig organisierten Flüchtlingsmanagements auf offizieller politischer Ebene?

Können wir den „Sachzwängen“ - Beschleunigung der Asylverfahren und Unterbringung in Massenunterkünften, Turnhallen, Gewerbehallen, Kasernen – menschengerechte Umgangsformen entgegensetzen, die nicht nur Einzelschicksale betreffen?

Was bedeutet für uns Integration? In welchen Zeiträumen ist dabei zu denken?

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein um einen Dialog auf Augenhöhe mit den geflüchteten Menschen führen zu können? Was können wir von ihnen lernen, welche Werte wollen wir vermitteln?

Wie ist es um das „Wir“ bestellt?

Die Wahlerfolge der AfD und ihr jüngst verabschiedetes Parteiprogramm treiben die Polarisierung in unserer Gesellschaft voran. Auch hier gilt es nach Wegen zu suchen, wie dem aggressiven Vordringen fremdenfeindlicher Kräfte entgegengetreten werden kann.

Das zweite Forum will erneut die Möglichkeit bieten, unabhängig von den alltäglichen Engpässen in der ehrenamtlichen Arbeit mit Geflüchteten die dahinter liegenden Probleme zu reflektieren und geeignete Forderungen an die Politik zu formulieren.

Wir freuen uns auf rege Teilnahme. Auch Neueinsteiger_innen sind herzlich willkommen!

Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

weltoffen und EMFA
Für die Vorbereitungsgruppe: Ulrike Lehmann, Erich Frehse und Uli Mercker.

Kontakt: <uli.mercker@gmx.de>

 

4. Prekäre Arbeitsverhältnisse bei Deutschkurs-Lehrkräften

Deutsch lernen!, denn das ist der Schlüssel zur Integration, wird den Neuangekommenen von allen Seiten nahegelegt. Das wird von allen gefordert, die bleiben und arbeiten wollen. Und geradezu gebetsmühlenartig wiederholt Innenminister de Maizière die Warnung an die „Integrationsverweigerer“, die einfach nicht Deutsch lernen wollen und am besten ganz schnell abgeschoben werden sollten. Doch diese Anprangerung dient ganz offenkundig einfach nur der Stimmungmache. Denn diejenigen, die tatsächlich mit Geflüchteten und Zugewanderten zu tun haben, machen ganz andere Beobachtungen: Groß ist die Lernbegierde, der Wunsch nach einem Sprachkurs steht ganz oben auf der Liste dessen, was sie hier anstreben. Vor allem im Bereich der Alphabetisierungskurse übersteigt die Nachfrage das Angebot, und es ergeben sich oft lange Wartezeiten.

Der hohen Bewertung des Spracherwerbs steht eine Geringschätzung derer gegenüber, die als akademisch ausgebildete Fachkräfte den Sprachunterricht erteilen sollen (zu 80% übrigens Frauen). Ihr Arbeitsentgelt liegt bei einer Vollzeitstelle nur knapp über dem Hartz IV – Satz, denn sie erhalten in der Regel

  • keine Festanstellung, nur Honorarverträge über befristete Zeiträume

  • keinen Arbeitgeber(AG)-Beitrag zur Rentenversicherung, zur Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung

  • keine Lohnfortzahlung bei Krankheit oder Urlaub

  • keinen Kündigungsschutz

  • keine Leistungen für Fortbildungen

  • kein Fahrgeld.

Dies sollten wir uns und anderen vor Augen führen, wenn wir feststellen, dass es zu wenig Sprachkurse gibt oder dass der Sprachkurs unseres Schützlings plötzlich ausfällt, weil die Lehrkraft die seltene Möglichkeit genutzt hat, ein anderes ordentliches Arbeitsverhältnis anzutreten. Oder wenn die SchülerInnen sich oder uns fragen, warum die Lehrkraft offensichtlich krank zum Unterricht erschienen ist. Schnell wird dann deutlich, dass eine Verbesserung der Arbeitsverhältnisse auch im Interesse der Neuangekommenen liegt.

Mehr und mehr schließen sich die Unterrichtenden zusammen, um ihre Forderungen deutlich zu machen. So hat sich örtlich der „Bonner Offene Kreis DaF/DaZ“ gebildet, der am 1. Mai mit einem Flyer an die Öffentlichkeit trat und erklärt: „Wir fordern von der Bundesregierung: Festanstellung mit tariflich gebundener Eingruppierung und Arbeitsstrukturen, die denen von angestellten Lehrkräften an Schulen mit einem Stundenkontingent von 26 Wochenstunden und den an der Schule üblichen Ferienregelungen entsprechen oder bei Freiberuflichkeit die Anerkennung der Arbeitnehmerähnlichkeit sowie ein Honorar, das dem Tarif bei Festanstellung entspricht. Da alle Lehrkräfte in Integrationskursen ein Hochschulstudium absolviert haben, müssen sie auch entsprechend ihrer hohen Qualifikation bezahlt werden. Dies ist gerade in der jetzigen Situation geboten, in der ihre Qualifikation und Erfahrung dringender denn je benötigt werden, damit die Integration von Flüchtlingen und Zugewanderten in Deutschland gelingen kann.

Wir halten es für unabdingbar, dass diese Arbeitsbedingungen auch in das neue Integrationsgesetz aufgenommen werden. 

Unsere zweite wichtige Forderung an ein neues Integrationsgesetz ist:  

Mitspracherecht der Lehrkräfte in Integrationskursen bei der Gestaltung der Kurs- und Prüfungsformate, da nur wir die aus der täglichen Unterrichtspraxis resultierende Erfahrung dafür mitbringen und unsere Partizipation demokratischen Grundsätzen entspricht.“

Informationen über Aktivitäten sind zu finden bei www.bonneroffenerkreis.jimdo.com, Kontaktaufnahme ist möglich unter bonner.offener.kreis@gmail.com

Nachbemerkung: Der folgende Beitrag wurde in der vergangenen Woche geschrieben. Eine Kernforderung wird möglicherweise schon bald erfüllt. Am vergangenen Wochenende wurde mitgeteilt, dass die Honorare deutlich angehoben werden sollen, weil der Innenminister unter den bisher geltenden schlechten Bedingungen nicht die benötigten Fachkräfte für die Integrationskurse findet.

 

5. Welcome2stay - Erstes Gipfeltreffen der Bewegungen des Willkommens, der Solidarität, der Migration und des Antirassismus am 10. bis 12. Juni 2016 in Leipzig.

„Wir laden ein zur Zusammenkunft der Bewegungen des Willkommens, der Solidarität, der Migration und des Antirassismus vom 10.-12. Juni in Leipzig.

Die wenigen Monate seit dem „summer of migration“ haben unsere Gesellschaft verändert. Die Kraft der Migration hat Grenzen überwunden. Nun werden die Mauern um die Festung Europa wieder geschlossen, das Sterben an den Außengrenzen geht weiter. Rassistische Gewalt und rechte Wahlerfolge erreichen erschreckende Ausmaße. Aber gleichzeitig gibt es unzählige Erfahrungen der Begegnung, der Solidarität und des gemeinsamen Widerstands.

Vor diesem Hintergrund laden wir ein zu einer Zusammenkunft unserer Bewegungen, zu drei Tagen des Austauschs und der Diskussion. Wir wünschen uns, dass Menschen aus den vielen Willkommensinitiativen, Solidaritätsgruppen, Selbstorganisationen von Geflüchteten, aus den antirassistischen und antifaschistischen Gruppen und Netzwerken und aus den zivilgesellschaftlichen Organisationen nach Leipzig kommen,“ heißt es auf der Website http://welcome2stay.org/de/startseite/, wo auch das Programm und mehr zu finden ist. Kontakt: mail@welcome2stay.org

Ende des Newsletters