24.03.2016
Seit der Veröffentlichung einer Liste mit Flächen, auf denen die Stadt neue Flüchtlingsunterkünfte plant, gehen die Diskussionen um das WO und WIE der Flüchtlingsunterbringung in Beuel heiß her.
Siehe hierzu die Berichterstattung im Generalanzeiger vom 11.03.2016, vom 20.03.2016, vom 22.03.32016, oder vom 24.03.2016.
In Reaktion auf die z.T. erschütternden Äußerungen einiger "besorgter Bürger", die bei einer Bürgerversammlung der Stadt am 23.03. ihrem Unmut über die Störung ihrer Komfort-Zone und ihres Sicherheitsempfindens lautstark Ausdruck verliehen, haben einige andere Anwohner*innen einen Bürgerantrag für die außerordentliche Sitzung der Beueler Bezirksversammlung gestellt. Der Antrag drückt aus, dass viele Bürger*innen durchaus bereit sind sich für Geflüchtete zu engagieren und auch die Stadt bei ihren weiteren Planungen unterstützen wollen. Der Bürgerantrag ist ein Plädoyer für eine wirkliche dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen in kleinen Wohneinheiten und die rasche Umsetzung der Pläne mehr Sozialwohnungen in Bonn zu schaffen.
Bürgerantrag für eine dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen in kleinen Wohneinheiten und die zügige Planung des öffentlich geförderten Wohnraums auf dem Bonner Stadtgebiet
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrter Herr Bezirksbürgermeister,
sehr geehrte Mitglieder der Bezirksvertretung Beuel und des Bonner Stadtrats,
wir sind Anwohner in Vilich-Müldorf und haben gestern (23.03.2016) an der Bürgerversammlung im Beueler Rathaus bezüglich der Unterbringung von Flüchtlingen im Beueler Stadtbezirk teilgenommen. Generell begrüßen wir die Bemühungen der Stadtverwaltung ausdrücklich Geflüchtete in Bonn angemessen unterzubringen und die Bereitschaft die Bürger in den Planungsprozess miteinzubeziehen. Einen Teil der Äußerungen aus der Bürgerschaft zu einem möglichen "zuviel" und den Wunsch, die Geflüchteten nicht „hier“ (insbesondere nicht in Vilich-Müldorf, Geislar, Pützchen), sondern an „anderen Standorten“ unterzubringen, sehen wir mit großer Sorge. Zu der ablehnenden Haltung kam es unserer Einschätzung nach, weil die Verwaltung zur kurzfristigen Beschlussfassung eine Liste von Flächen, die überwiegend in einem recht kleinen Gebiet im Beueler Norden liegen, vorgelegt hatte. Darüber hinaus wurden die politischen Gremien und Bürger zu spät in diese Planungen einbezogen.
Zwei Aspekte kamen bei der Diskussion bislang zu kurz, die wir daher noch einmal mit diesem Antrag einbringen wollen. Prinzipiell fordern wir die Stadtverwaltung auf, das Prinzip der dezentralen Unterbringung, das immer wieder vom Leiter des Sozialamtes, der Integrationsbeauftragten und anderen Vertretern der Stadt bei öffentlichen Veranstaltungen als übergeordnetes Ziel angegeben wird, nicht aus den Augen zu verlieren.
Erstens, eine dezentrale Unterbringung von Geflüchteten in Wohnungen, die über das gesamte Stadtgebiet verteilt sind, ist nicht nur die günstigste Art der Unterbringung (wie der Sachstandsbericht „Flüchtlinge in Bonn“ vom 25.02.2016 zeigt), sondern auch die einzige tragfähige Lösung, welche Geflüchteten am ehesten ein eigenständiges und würdevolles Leben und gute Integrationsperspektiven in einer angemessenen Umgebung bietet. Für die jeweilige Nachbarschaft ist dieser Ansatz auch sozial verträglich.
Daher möchten wir sie bitten die Planungen für die langfristige Perspektive prioritär voranzutreiben.
Beschleunigen Sie bitte ihre Planungen zur Schaffung von öffentlich geförderten Wohnungen, die zunächst für Geflüchtete und später von anderen bedürftigen Nutzergruppen bewohnt werden können, im gesamten Stadtgebiet. Die Flächen sind hierfür vorhanden, u.a. in Vilich-Müldorf (Wohnpark 2, Schulfläche im Wohnpark 1) und in Geislar (Baugebiet Geislar-West).
In einem offenen Brief an den Oberbürgermeister haben 14 flüchtlingspolitische Initiativen jüngst genau solch eine „Offensive für den Sozialen Wohnungsbau“ gefordert.
Zweitens, insofern in mittelfristiger Perspektive eine Unterbringung von Geflüchteten in temporären Bauten (Container, Holzleichtbauweise, etc.) nicht zu vermeiden ist, so sollte auch hierbei die Dezentralität im Vordergrund stehen. Nicht nur im Sinne der Nachbarschaft, sondern v.a. im Interesse der Geflüchteten, sollte bei der kommunalen Unterbringung die Schaffung von neuen „Massenunterkünften“ und damit eine Konzentration von 300-600 Menschen auf engstem Raum vermieden werden.
Darüber hinaus ist es für die Integrationsperspektiven von Geflüchteten nicht förderlich, wenn sich die Unterkünfte in Marginallagen wie unmittelbar an der Autobahn (Herz-Jesu-Kloster, Pützchen?), der Bahntrasse (Heizkraftwerk Süd, Kessenich?) oder in Industriegebieten (Maarstraße, Beuel?) befinden.
Gerade bei den temporären Bauten sollten daher möglichst viele Standorte mit möglichst kleinen Unterbringungseinheiten (max. 80-120 Personen auf einer Fläche mit 2-3 Containern/ Gebäuden) in unmittelbarer Nähe zu lebendigen Nachbarschaften eingerichtet werden.
Für die in der Liste der „Freiflächen zur Errichtung von temporären Flüchtlingsunterkünften u/o dauerhaften Wohnbauprojekten“ vom 11.03.2016 aufgeführten Standorte heißt das, dass die einzelnen Standorte nicht gegeneinander ausgespielt werden sollten (was dann wiederum den Unmut der Vilich-Müldorfer, Geislarer, Limpericher, etc. herausfordert). Vielmehr sollten bei der weiteren Planung im Prinzip alle Flächen auf der Liste weiterverfolgt und darüber hinaus auch weitere Flächen, gerade auch kleinere (<2000 m²), in die Planung miteinbezogen werden.
Uns ist bewusst, dass die Stadt bzw. die VEBOWAG beim raschen Bau von Sozialwohnungen erst einmal finanziell in Vorleistung treten muss, bis ausreichende Mittel vom Bund und vom Land bereitgestellt werden. Uns ist auch bewusst, dass die Erschließungskosten bei mehr Standorten mit vielen kleineren temporären Unterkünften sicherlich höher sein werden, als bei wenigen großen Unterkünften. Dennoch sollten der UN-Stadt Bonn diese Investitionen in bessere Lebensbedingungen und gute Integrationsperspektiven der Geflüchteten und in den viel beschworenen „sozialen Frieden“ in den Wohnvierteln Bonns wert sein.
Mit freundlichen Grüßen,
Benjamin Etzold und weitere Bürger*innen aus Vilich-Müldorf und Vilich
24.03.2016