Arbeit und Ausbildung von Geflüchteten - Zahlen, Chancen, Probleme und Hindernisse auf dem Weg zur Berufstätigkeit

Um Fragen und Antworten zur Situation um Arbeit und Ausbildung von Geflüchteten ging es in einer Gesprächsrunde von weltoffen mit dem Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Bonn/Rhein-Sieg, Manfred Kusserow.

Kusserow informierte über aktuelle Zahlen. Im Kontext von Fluchtmigration (K. v. F.) werden in Bonn 3105 Arbeitssuchende gezählt, darunter müssen 963 als arbeitslos geführt werden. Das sind diejenigen, die sich nicht in Bildungsmaßnahmen befinden oder Kinder und Angehörige versorgen. Seit Jahresbeginn konnten 44 Geflüchtete Zugang in den 1. Arbeitsmarkt finden oder eine selbständige Tätigkeit aufnehmen. 439 Menschen im K. v. F. nehmen an Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik teil, vor allem zur beruflichen Eingliederung; 48 von ihnen befinden sich in Maßnahmen zur Berufsausbildung oder Berufsorientierung.

Im Input und der Diskussion wurde festgestellt weiter thematisiert, dass die Ende 2015 vorhandenen großen Erwartungen potentieller Arbeitgeber in Handel, Handwerk und Industrie, die eine schnelle Lösung ihres Arbeitskräftemangels erwarteten, mittlerweile durch die realen Erfahrungen reduziert wurden. Alphabetisierung und Deutschlernen dauern viel länger, und der mitgebrachte Bildungs- und Ausbildungsstand ist oft geringer als erhofft. Mittlerweile ist von fünf Dauer oder sogar sieben Jahren auszugehen, bis zumindest die Hälfte der geflüchteten Neuankömmlinge in den ersten Arbeitsmarkt integriert sind, wo mindestens ein Niveau von B1 zugrunde gelegt wird.

Aber auch die Erwartungen der Geflüchteten wurden und werden enttäuscht. Statt zügig Arbeit annehmen und selbst Geld verdienen zu können anstelle des Empfangs von Sozialleistungen, müssen sie jahrelang zur Schule gehen, was auch die vielen Jüngeren unter ihnen oft schon lange nicht mehr oder teilweise auch nie gewohnt waren. Die Anerkennung von früheren Schulbesuchs und beruflicher Tätigkeit ist kompliziert und langwierig, und oft reichen diese dann nicht aus, um hier Beschäftigung zu finden. Der Einstieg in die „klassische Berufsausbildung“ im dualen System (Lehre im Betrieb und Besuch der Berufsschule) ist auch mit Hindernissen behaftet. „Warum soll man für die Arbeit im Einzelhandel oder der Gastronomie drei Jahre Ausbildung durchlaufen?“, fragen sich viele. Abgesehen davon, dass ihnen dieser Bildungsgang fremd ist, fühlen sich vermutlich zumindest die Männer über 30 in den Klassen der Berufskollegs fehl am Platze. Und viele Ausbildungsbetriebe bevorzugen Auszubildende mit qualifiziertem Schulabschluss und nehmen häufig nicht einmal mehr Hauptschüler.

Um den Zugang zur Berufsausbildung zu erleichtern, vereinbarten die Spitzenverbände ein Stufenmodell, dass die Integrationskurse mit der Berufsorientierung verzahnt werden sollen, wobei der Anteil des beruflichen Verwendungszusammenhanges stetig wächst.

Dass die Geflüchteten auf dem Weg der Berufsausbildung sogar Zugang zum ersehnten Studium finden können, muss vielfach in lange Gesprächen vermittelt werden. Nahezu unabhängig von den Vorkenntnissen ist eine Berufsausbildung aber nur dann erfolgreich zu absolvieren, wenn die Auszubildenden individuell und engmaschig begleitet und z. B. durch Nachhilfeunterricht unterstützt werden, darauf wurde seitens AsA (Ausbildung statt Abschiebung) hingewiesen, die seit vielen Jahren Auszubildende betreuen. Für eine „assistierte Ausbildung“ werden von einigen Trägern jetzt auch SozialarbeiterInnen gestellt. Derzeit haben etwa 150 junge Menschen aus den Hauptherkunftsländern Ausbildungsverträge in Bonn unterzeichnet, wobei dies nicht ausschließlich Geflüchtete sein werden.

Ohne die Berufsausbildung und andere Qualifizierungsmaßnahmen bleiben den Arbeitssuchenden auch ohne Fluchtkontext nur die wenigen, schlecht bezahlten und häufig perspektivlosen, unsicheren Stellen als ungelernte Hilfskräfte. Dies gilt im besonderen Maß für die Arbeitssuchenden, die über 30 oder sogar 40 Jahre alt sind. Kusserow wies als Perspektive für diese Gruppe auf die „berufsanschlussfähige Teilqualifizierung“ hin. Die Kosten für die Freistellungszeiten, damit der/die Beschäftigte an Kursen und Lehrgängen teilnehmen kann, erhält der Arbeitgeber vom Staat.

Auf Nachfrage Anwesenden wurden zum Schluss der Gesprächsrunde noch Fragen zu der Situation derjenigen angesprochen, die keinen gesicherten Aufenthaltsstatus erhalten (haben) bzw. in ihre „sicheren Herkunftsländer“ zurückkehren mussten. Wer zum Beispiel aus den Westbalkan-Ländern hier ist, unterliegt dem Arbeitsverbot. Die versprochene Möglichkeit, nach einer freiwilligen Rückkehr und Ablauf einer 2-Jahre-Wartefrist zur Arbeitssuche einzureisen, besteht bisher nur theoretisch. In der Praxis aber drängen die Fluchtbeweggründe unverändert. Die jungen Menschen aus diesem Personenkreis, die einen Ausbildungsvertrag erlangen konnten, sind mittlerweile immerhin durch die sogenannte Ausbildungsduldung für fünf Jahre geschützt, die Azubi wie Ausbildungsbetrieb das Verbleiben für 3 Jahre Ausbildung und anschließend 2 Jahre Berufstätigkeit zusichert. Insgesamt aber müssen in humanitärer und sozialer Verantwortung endlich Wege für die Armuts- bzw. Arbeitsmigration eröffnet werden.

Weltoffen dankt den Teilnehmenden und besonders Herrn Manfred Kusserow für einen interessanten und informationsreichen Abend.

13. 5. 2017